(M)eine Amazon Story

Neulich las ich eine dieser Geschichten von Amazon über Amazon. Es ging um Besucher, die sich ein Versandzentrum angesehen haben. Ich habe auch eine eigene Story, die ich gerade mit dem Giganten durchmache. Dabei geht es um ein relativ simples Produkt, vom Abzählen und der Frage, ob ich demnächst überhaupt noch kaufwürdig für Amazon bin.

Mit dem Ende der Chemotherapie kam gefühlt auch das Ende meiner Nasenschleimhäute. Erst glaubte ich nur an häufige Kopfschmerzen, doch die trockene Nase lies es mich mit Meerwasser-Nasenspray probieren. Und das eine, mit Dexpanthenol und Kamillenöl, erwies sich für mich als echt gut. Die Kopfschmerzen wurden weniger und selbst der Heuschnupfen trat – gefühlt – nicht mehr so stark in Erscheinung. Bequem wie ich bin, bestelle ich das Nasenspray bei Amazon. In einem fünfer Set ist es ein Schnäppchen.

Alles klappt zu meiner vollen Zufriedenheit, bis zum April diesen Jahres.

Ich nutze das letzte Spray meines angelegten Vorrats und bestelle wie gewohnt den Nachschub. Prime sei Dank liegt die Lieferung am nächsten Tag in der Packstation. Schon beim Herausnehmen wundere ich mich über das geringe Gewicht, über das seltsame Klappern. Denn eigentlich werden die fünf Sprühflaschen in einer Tüte zusammen im Karton verschickt. Zuhause öffne ich den Karton und falle vom Glauben ab: Eine Sprayflasche statt der erwarteten fünf!

Ich rufe die Bestellung auf: Ja, es sollten fünf Stück sein. Noch einmal ein Blick in den Karton, das Knüllpapier knuffig geherzt und es bleibt bei der einen Sprühflasche. Es beginnt wieder die Suche nach der Amazon-Kontaktseite. Das Prozedere hasse ich, weil es so ein absolutes Lieblos-Ding von Amazon ist. Die haben das Kindl, ich soll mit dem Ding kaufen und konsumieren, doch wenn ich Hilfe brauche, dafür gibt es keine App auf dem Teil. Da ich den Support selten benötige, suche ich mich auf der Webseite dusselig.

Der Support antwortet, per Mail, keine Stunde später. Ihm tut es leid, was soll er auch anderes schreiben. Gut, was geschehen ist kann ja auch mal passieren. Abzählen bis fünf ist für manche Erdenbürger eine mathematische Herausforderung. Amazon schickt eine Ersatzlieferung los, weißt extra noch einmal auf das Set a fünf Stück hin UND ich darf – in diesem Fall eine Ausnahme – das einzelne Nasenspray behalten. Es muss von mir nicht zurückgeschickt werden. Jippie!

Der nächste Tag. Ich stehe wieder an der Packstation, fingere das Päckchen heraus und es ist wieder so leicht, klappert merkwürdig. In mir kommt eine Vorahnung auf, ich schaue mich um, ob irgendwo eine versteckte Kamera zu erkennen ist. Zuhause angekommen bestätigt sich die Vorsehung: Wieder fühlt sich ein Nasenspray sendungstechnisch verarscht, fehlen die vier anderen Kumpels des Sets.

‚Hallo Support, mein Problem wird immer größer‘. Ich schildere das Problem vom Problem und erwähne, dass ich die einzelne Nasnespray-Sprühflasche nicht zurückgeben brauche, in der Bestellübersicht aber die Rücksendung erwartet wird. Wieder muss ich nicht lange auf eine Antwort warten. Natürlich tut es Amazon Leid, es ist nicht Standard und weil es jetzt das zweite Mal so geschehen ist, wird der Fall weitergeleitet. Es gibt keine Ersatz- zur Ersatzlieferung. Man schreibt mir den Kaufpreis gut und ich darf – als langjähriger Kunde und in dem speziellen Fall – auch die zweite Sprühflasche Nasenspray behalten. Jippie, aber eigentlich ist mir zum Heulen zumute.

Irgendwann trudelt die Bestätigung einer Gutschrift ein und ich denke alles ist geregelt. Doch keine Woche später begrüßt mich in der Morgen-Mailliste die freundlich-bestimmte Aufforderung Amazons, doch bitte die Ware zurückzusenden. Immerhin gab es eine Ersatzlieferung, die ich mittlerweile erhalten habe. Und wenn ich die Ware nicht umgehend zurücksende, dann wird mein Konto mit der Summe belastet.

Ich brauche keinen Kaffee, bin auch so im Schwung. Also wieder eine Mail an den Support, alles von vorn erzählt. Ich überlege die bisherigen Mails anzuhängen, aber die Mannen werden den Vorgang im System haben. Obwohl früh am Morgen muss ich wieder nicht lange auf ein Feedback warten. Das funktioniert. Bedauern, bedauern … ich kann es nicht mehr lesen. Alles ein großer Irrtum, die automatische Retouraufforderung wurde nun manuell aus dem System genommen und alles ist gut. Wirklich. Ich schaue eine Stunde später in die Bestellübersicht und lese, dass Amazon auf meine Rücksendung wartet.

Wenn ich das bis hierhin Geschehene weiterdenke, dann weckt mich Amazon in ein paar Tagen per Mail mit Zwangsmaßnahmen, weil ich in Amazon’s wachsamen Programmauge absolut rücksende-unwillig bin. Willkommen in der Grausamkeit der digitalen Welt, die unplanmäßige Vorkommnisse nicht kennt und stur ihr Programm fährt. Das sind die Momente, wo mir der Sinn nach Gewalt und Züchtigung steht. Da Gewalt keine Lösung ist, fotografiere ich den Bildschirm ab und informiere den Support über meine negative Erwartungshaltung hinsichtlich der Amazon-Automatismen. Die prompte Support-Reaktion spricht von einem bekannten Systemfehler, ich möge ignorieren und alles ist so, wie man mir es immer gesagt hat.

Ich kann nur abwarten. Und hoffen, dass es so ist. Was anderes bleibt mir nicht übrig. Doch ich habe ein viel größeres Problem: Zwar habe ich zwei Mal eine Sprühflasche Nasenspray umsonst, mir ist das selbst bezahlte 5er Set lieber. Doch im Moment traue ich mich gar nicht den Artikel zu bestellen. Ich fürchte, ich bekomme wieder nur ein Fläschchen, müsste den Support kontaktieren, die Geschichte vom Urknall an schildern, um am Ende dann doch nur als Störer der höchsten Zufriedenheit aus dem Amazon-Imperium verstoßen zu werden. Abwarten, bis die dunklen Schwaden verzogen sind und man sich bei Amazon nicht mehr an den Vorgang erinnert? Das kann doch auch nicht die Lösung meiner Amazon Story sein.

Autor: makkerrony

Der Blog 'Lichtbildprophet' ist dem fotografischen und gemalten Bild verpflichtet, erhebt keinen Anspruch auf Perfektion und ordnet sich selbst dem Dilettantischen Depressionismus zu.