Mode und ich und Mode

In Sachen Mode gehe ich keine Experimente ein. Das überlasse ich jenen hemmungslos individuellen Zeitgenossen, denen wirklich nichts zu peinlich ist. Dürfte ich mir ein Styling wünschen, dann wäre es etwas in Richtung maoistischer Einheits-Look. Nur nicht um jeden Preis auffallen! Farbtechnisch steht mir das spektrale Sammelbecken klassisch Schwarz, wagemutig mit sattem Anthrazit akzentuiert. Zu mehr Kontrast lasse ich mich nicht hinreissen!

Etwa wie Weiß?

Das steht stand dem Karl Lagerfeld besser. Schwarzer Anzug. Weißes Hemd. Oder das, was man früher als Hemd bezeichnet hat. Dazu viel Bling-Bling in Silber. Seine Attitüden rundeten das Gesamtkunstwerk ab.

Hab mal gesehen, wie Karl shootet. Assistenten bereiten alles vor. Meister Karl erscheint, übernimmt die digitale Mittelformatkamera, post mit ihr etwas herum und setzt dann zum goldenen Schuss an. Karl gibt die Kamera wieder ab, wirft einen Kennerblick auf den Flachbildschirm. Sein unnachahmliches Fuchteln mit der Hand ist die einzige Gefühlsregung, die dem Universalgenie entfleucht. Abgang!

Wenn es mir eines Tages genauso ergeht, dann habe ich es geschafft. Ich hätte gern mal Karlchen und seine Welt kennengelernt, mir ein paar Tricks abgeschaut. Vor allem: Wie zelebriere ich stilecht SOLCHE Auftritte.

Zurück zum Kontrast. Variante Rot.

Da fällt mir maximal ein roter Binder ein. So ein verkrüppelter Sabberlatz ist nichts weiter als der öffentliche Aufruf, sich von wildfremden Menschen freiwillig strangulieren zu lassen. Anschließende Straffreiheit inklusive. Trotz aller kreativ-künstlerisch motivierter Depression: Soweit bin ich noch nicht. Wenn es mich von Heute auf Morgen erwischt, dann unwissend und bitte möglichst schnell. Am besten kurz nach einem galaktisch-gigantischen Orgasmus!

Alternative: Komplett in schwarze Hose-Hemd-Kombi gekleidet und knallrote Schnürsenkel aufgelegt. Akzent und Hingucker liegt im Fussbereich. Punkt! Mut muss belohnt werden! Bitte nicht um jeden Preis!

Ich nicke beim Sinnieren in einen Tagtraum ab.

“Nominiert für den Goldenen Fauxpas in der Kategorie Nichtstraßentaugliche Mode ist

PAUSE

Xamantha aus Berlin-Hellersdorf für Hausmacherleberwurst-Outfit im Naturdarm-Look!

Rolle an Rolle, eingeschnürt im engen Stretchkleid und knappsten Leggins. Gewagtes Rosa-Pink, echte Berliner Schnauze, natürlich blond gefärbte Haarpracht mit dunklem Naturfellansatz und geschminkt im klassischen Matrjoschka-Style. Hut ab der gezeigten Risikobereitschaft! Doch noch ist Ästhetik nicht gänzlich abgeschafft. Deshalb geht der begehrte Preis an die liebreizenden Xamantha aus Berlin-Hellersdorf.”

Einspieler an der großen Leinwand im Saal. Xamantha posiert vor einem modernisierten Plattenbau. Ihr aktueller Lover, der nichts mit ihren drei Bälgern zu tun hat, strahlt vor Freude über die Preisverleihung: “Sie sieht so sexy aus.”

Mach den Mund zu! Deine Ruinenlandschaft soll nur dir allein gehören. Xamantha dreht lasziv ihre Hummeltaille …

Ein Knall und ich bin aus dem Kurzzeit-Alptraum erwacht!

Lieber eine naturbelassene Truller mit lockig langer Achselhaarfrisur und Buschwerk im Intimbereich. Die hat noch nie die stumpfe oder scharfe Klinge eines Nassrasierers gesehen. Gibt es eigentlich elektrisch betriebene Enthaarungsapparate a la Kettensäge & Co., die für das Entholzen solcher Körperhaar-Bewaldung geeignet sind? Das wäre doch glatt eine Marktlücke!

“Ist bisher Körperenthaarung für Sie ein Fremdwort?
Sie wollen endlich sehen, wie bleich Ihre Hühnerpelle unter den Urwäldern wirklich ist?
Hat der Lady-Shaver Venus deluxe schon beim Anblick der Haarpracht seinen Dienst quittiert?
Dann habe ich genau das Richtige für Sie!

Der Haarmäher 3000 Pro! Mit integrierten Flammenwerfer für die gründliche Brandrohdung vorneweg! Unser Angebot gilt nur heute, greifen Sie sofort zu.

Und wenn Sie jetzt anrufen, schenken wir Ihnen einen 20 Liter Kanister After Shave Balm mit den natürlichen Wirkstoffen der Brennnessel. Das beruhigt die gestresste Haut, garantiert!

Haarmäher 3000 Pro, denn die erste Körperhaar-Enthaarung soll gelingen!”

Ich bevorzuge Schwarz! Das schwarze Schaf ist mein Wappentier. Dezente Trauer, stille Wasser sind tief und schmutzig. Ich bin still und schmutzig. Wenn ich eine Stilikone bemühen muss, dann bitte den schwarz gekleideten Blixa Bargeld.

Oder der alte Johnny Cash. Einsam. Verlassen. Seine Klampfe in den Händen haltend und Trent Reznors wunderschönes “Hurt” zum Besten geben. Schwärzer und vor allem stilvoller geht es einfach nicht.

Autor: makkerrony

Der Blog 'Lichtbildprophet' ist dem fotografischen und gemalten Bild verpflichtet, erhebt keinen Anspruch auf Perfektion und ordnet sich selbst dem Dilettantischen Depressionismus zu.