Der ‚First Flush‚ meiner Glasbeschichtungen ist eine magere Ausbeute. Von neun 18 x 24 cm-Glasplatten kommen nur zwei in die Endrunde. Alles andere hat mir zu viele Macken. Also wandern die mit Fotoemulsion beschichteten Scheiben in ein Sodabad, dass alles blitzschnell ablöst. Ohnehin erweist sich die alkalische Reinigung als effizient. Verwende ich einen gerbenden Entwickler, hält die Fotoemulsion den fotochemischen Prozess stand. Gerbende Entwickler gibt es – meines Wissens nach – nur für ‚Negative‘. Das macht die kreative Arbeit teuer.
Von meinen Experimenten mit Brenzkatechin ist noch etwas Moersch Tanol übrig. Ich missbrauche den ‚Negativentwickler‘, um damit Positive zu entwickeln. Insbesondere auf Hadernpapier der Marke Khadi. Zwischendurch habe ich es mit Khadi-Hadern und der Lith-Entwicklung versucht, doch die Emulsion hält noch nicht einmal bis zum Fixieren. Die Fotoemulsion wird zur weichen Masse, die sich in Flocken vom Träger löst. Tanol, besser jedoch Pyrogallol im Bergger PMK, machen die Schicht stabil. Das abschließende Bad im gelösten Kalialaun (1 g auf 10 ml Wasser) erweist sich als gutes Finish, bevor es ans Tonen und Abschwächen/Bleichen geht.
Eigentlich wollte ich die letzten Tage auch mit anderen Dingen verbringen. Doch spielte das Berliner Wetter nicht mit, sollte ich anderes tun was sich dann plötzlich erledigt hat oder man fühlte sich nicht gut. Ich fühle mich auch nicht gut, lasse nur nicht die Pussy raushängen. Im nächsten Leben möchte ich im Sternzeichen Mimose, Aszendent Weichflöte geboren sein. Und so mache ich mir beim Schneiden der Gebrauchtglasplatten Gedanken, wieso und weshalb ich das alles tue. Wenn im September/Oktober die Ausstellung(en) des Fotografischen Frühschoppen gelaufen sind, nehme ich mir bis Jahresende eine Auszeit. Es soll an eigenen Projekten gearbeitet werden und ich bin gern bereit beratend begleitend tätig zu werden.
Es geht um Freizeit, meine Freizeit. Viele Gedanken, was ich tun könnte, nur frage ich mich wozu? Eigentlich ist es die Frage nach dem ‚Für was‘? Im Zusammenhang mit den PosaNeg’s entdecke ich das Selentonen wieder. Das metallische Silber abgeschwächt kommt ein schöner Brauton zum Vorschein. Ohne diesen Schritt kann es eine kräftige magenta-braun Farbtonlage sein. Zum Papierfavorit entwickelt sich Canson Imagine Mix-Media Papier und das, obwohl es während der fotochemischen Orgie ins häßliche Magenta kippen kann.
Ich erinnere mich an meine Aufnahmen mit dem B.I.G. Holga HL-C Objektiv. Ursprünglich kaufte ich es mir, um die Schärfe aus den Digitalbildern zu nehmen. Das funktionierte auch sehr gut. Nur: Die Blende 8 ist eine Notlüge und das digitale Rauschen hat nichts mit dem analogen Korn zu tun. Letztlich versucht die Kameraelektronik etwas schönzurechnen was ruhigen Gewissens schlecht sein darf. Besagtes Holga HL-C ist ein billiges und völlig überteuertes Effektobjektiv und in keinem Fall eine Imitation einer Holga-Linse. Auch die Boxshots die die Blende zeigen sind falsch. Sie ist viel kleiner und von einem Kranz weiterer kleinerer Löcher umgeben. Zusammen mit der elenden Dicke der Blende entsteht so dieses weiche Lichtbild bei einem abnormen Lichtbedarf.
Analoge Aufnahmen mit dem Holga HL-C, vielleicht auch Lichtmalereien oder Langzeitbelichtungen, alles paßt auf den Glasträger, der alt, zerkratzt und teilweise bereits stumpf ist. Ich muss mich an zurückliegende Versuche erinnern und diese mit der Flüssigen Fotoemulsion auf Glas kombinieren, die mit Pyrogallol entwickelt werden, Selen getont werden und gegebenenfalls abzuschwächen sind. Die Rückseite wird mit dem Canson-Papier und Gelatine verklebt.
Beim Betrachten des First Flush treffe ich noch eine Entscheidung: Zum Auftragen der flüssigen Fotoemulsion nehme ich einen breiteren Flächen Pinsel und erhöhe den Anteil Alkohol, damit die Blasenbildung geringer wird. Zudem darf die Schicht ruhig etwas stärker sein. Ich denke, das war der Erkenntniszuwachs der letzten Tage. Nicht viel und kein bisschen NegaPos, manchmal ist das Leben ein kleines Arschloch und dann geht es mir eben halt nicht so gut. Glücklicherweise ist meine ToDo-Liste lang und ich finde allein den Weg aus dem Bett ins Atelier.