Pyramidion

Schlusstein!
Der Stein ganz oben, der letzte Stein.
Offensichtlich ist ein oder das Ende erreicht?

Entgegen der ‚Tradition‘ sind einige meiner BetrachtSteine vorderseitig signiert und ich lese auf ‚Erde, Himmel, Licht‚ das Jahr 2014. Seiner Realisierung gingen Monate des Grübelns voraus. Noch heute kann ich mich gut daran erinnern, wie ich im Hochsommer in der Villa Schaf saß, die Sofortbilder zerlegte und auf diese Kacheln zog, die eigentlich als ‚Müll‘ in der Entsorgung landen sollten. Doch ihre matte Oberfläche schienen mir wie für den Emulsionslift gemacht. Für den Primer griff ich kurzerhand auf Holzleim zurück. Fertig war die Laube! Durch die Villa Schaf und ihre Massen an ausgemusterten Holz traf ich auf Claire von Frameworks. Sie faßte die drei BetrachtSteine. Noch heute bin ich von dieser Arbeit angetan, die seit 2016 einen neuen Besitzer hat.

Kürzlich wühlte ich in meiner Asservatenkammer und mir fiel die letzte, noch nicht benutzte Kachel in die Hände. Die Villa Schaf ist seit ein paar Jahren auch Geschichte, nach der großen Auf- und Ausräumaktion wurde sie abgegeben. Hin und wieder mag ich das Gärtnern, aber eine Laube sanieren und das Land nach den gestrengen Regeln des Kleingartengesetzes bewirtschaften ist nicht mein Ding. Seit dem Vertreiben des Hodgkin Lymphom fehlt mir ohnehin die Kraft und Ausdauer, den Blümchen und Karotten beim Wachsen zuzusehen. Es ist also mit keinem Nachschub an derangierten keramischen Trägern mit mattierter Oberfläche zu rechnen.

Bisher habe ich alle Arbeiten mit der Fotoemulsion am DIY Vergrößerer auf 18 x 24 cm belichtet. Der ‚DIY Enlarger MakkerRony BIG‘ war ursprünglich eine 9 x 12 cm-Plattenkamera. Anfänglich wollte ich fremde 9 x 12 cm-Glasnegative auf 13 x 18 cm vergrößern, rief dann lieber mit eigenen Negativen den ‚Fotografischen Depressionismus‚ aus, um im nächsten Schritt auf 18 x 24 cm-Vergrößerungen zu wechseln. Über 500 Blatt altes ORWO-Fotopapier waren mehr als ein gutes Argument dies zu tun. In Sachen Fotoemulsion fehlte mir nur noch die Gegenprobe mit (m)einem ’normalen‘ Belichter. Da ich mit ihm auf die etwas andere Höhe der Kachel fokussieren kann, probiere ich kurzerhand die Beschichtung, Belichtung und Verarbeitung mit einem Nicht-Papiermaterial aus.

Der Prozess um die ‚Flüssige Fotoemulsion Rollei Black Magic RBM33‘ ändert sich nicht. Den Primer antrocknen lassen, unter Rotlicht die Emulsion mit dem Flächenpinsel auftragen und dann liegt die Kachel für 24 Stunden im Trockenkoffer. In der Zeit kann ich mir das Motiv aufsuchen, welches ich auf den letzten BetrachtStein bringen möchte. Es sollte schon ein persönliches Motiv sein. Vor Jahren war Roswitha Skowasch der Meinung, dass das Baummotiv für mich steht (die Ausarbeitung dieser Arbeit war nicht damit gemeint). Ich konnte mit der Einschätzung nichts anfangen. Eher sehe ich ein Motiv mit der Öffnung in der Berliner Mauer als angebracht oder eine Arbeit zum ‚Blauen Licht‘ vom Weißenseer Jüdischen Friedhof. Doch mein erster Gedanke ging an das Mohn-Motiv.

Es sind offensichtlich nur trockene Blüten, wohl in einer Vase stehend. In Wirklichkeit hängt der Strauss getrockneter Mohnblüten von der Decke. Nicht weil ich es in erster Linie witzig fand, mir fehlte einfach eine passende Vase. Die Aufnahme entstand im alten Atelier in der Allee der Kosmonauten. Hier konnte ich mit Fensterlicht arbeiten, was mir in meinem heutigen Fablab einfach fehlt. Dafür habe ich heute alles, um eine kleine experimentelle Dunkelkammer betreiben zu können. Das ist auch nicht zu verachten, zumal mich die Dunkelkammer wesentlich weitergebracht hat als der elendige hybride Workflow aus analoge Fotografie, scannen und Photoshop-Orgien.

Für die Entwicklung greife ich auf Pyrogallol (Bergger P.M.K.) zurück, der Entwickler wird mit dem Pinsel aufgetragen und verläuft sich über die schräg gestellte Kachel. Spülen findet wie gehabt im kalten Wasser statt, ein Stoppbad verwende ich schon lange nicht mehr. Das Fixieren geht ebenfalls über einen – anderen – Pinsel, dann wieder spülen im Wasserbad, ein Härterbad und ein Bad zur Archivfestigkeit (kein Selentoner). Was mich an der Prozedur am meisten freut, ist der schöne grüne Ton in diesem besonderen Lichtbild. Setzt der gegerbte Primer ist zu erkennen. Ein befriedigender Abschluss eines jahrelangen Prozesses.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.