Machs gut!

Irgendwann kreuzten sich unsere Wege. Private Kontakte und der gegenseitige Wunsch, im kreativen Sinn voneinander zu profitieren. Und so fotografiere ich für einige Zeit die Berliner Band K(l)eingeld bei ihren Proben, Konzerten und Shootings für Promotion-Fotos. Alles ist nicht nur so nebenbei, ich bin Teil eines musikalischen Projekts. Teil einer Familie. Nur die Aktivitäten zu einer Tageszeit, zu der ich normalerweise im Bett liege und schlafe, machen mir etwas zu schaffen. Ich bin keine Nachteule. Ich bin eher der Wurm, der den frühen Spatz fängt. Einige kreative Spielereien mit der Digitalkamera schaffen es in mein Blitzen-Buch. Und ich habe mit K(l)eingeld mein erstes analoges Outdoor-Shooting.

Die ganze Zeit bist du der Mann im Hintergrund. Ruhig und doch mit deiner Art präsent.

Irgendwann krieselt es in der Band, ein Gründungsmitglied steigt aus und K(l)eingeld wird sich davon nie erholen. Wie ich später erfahren habe, kommen ein paar private Dissonanzen hinzu und K(l)eingeld ist Geschichte. Versuche, trotzdem irgendwie weiterzumachen scheitern daran, dass ich ein Jahr lang gegen meinen „Sauron“ kämpfen muss. Während ich mich in meiner Eingliederungsphase befindet, erzählst du mir, dass du ebenfalls diesen Kampf kämpfen musst. Du sagtest, alles ist gut. Diesen Satz sollte man einem Krebskranken nie abnehmen. Ich sehe Fotos von dir und weiss, dass es dir nicht gut geht. Auch wenn wir die letzten Jahre wenig miteinander geredet haben, so gab es immer wieder ein Zeichen, eine Geste. Sei es zum Geburtstag oder ein Like auf Instagram. Es ist dieses Ding des Lebens, dass sich Wege finden aber auch wieder verlieren können.

Gestern las ich etwas und hatte eine böse Vorahnung. Erst heute konnte ich „recherchieren“ und musste die traurige Nachricht bei deinen Söhnen lesen: Du hast über eine lange Zeit gekämpft und hast letztendlich den Kampf verloren. Das sind die Momente in denen ich registriere, wie viel Glück ich mit meiner Krebserkrankung habe. Es sind die Momente, wo ich mir wieder bewusst werde, dass ich mein Leben für mich zufrieden leben möchte. Es sind die Momente, wo ich jeden Tag als ein Geschenk betrachte, das ich tagtäglich in Ehren halten muss. Gerne erinnere ich mich an unsere „gemeinsame“ Zeit. Sie war interessant, lehrreich und ein Highlight in meiner Amateurlaufbahn als Lichtbildakrobat. Ich war gern ein Teil der Truppe und irgendwie bedaure ich, dass K(l)eingeld nicht mehr existiert. Es ist das „Schicksal“ kreativer Köpfe, dass das Zusammenleben als Gemeinschaft zu oft vom Ego des Eizelnen getragen wird. Gerne erinnere ich mich an dich, denn ich glaube, ich habe nie ein böses Wort von dir gehört.

Mach es gut Dirk und Danke.

Dirk D.

Dirk D.
04. 06. 1965 bis 16. 04. 2021

Der Dritte

Ich befinde mich im Jahr Drei nach einer Diagnose ‚Hodgkin Lymphom‘.

Vor drei Jahren freute ich mich wie hulle: Drei der sechs Zyklen sind fast geschafft, ‚Gandalf der Weiße‘ und die gesamte Praxis macht 14 Tage Sommerurlaub. Ich nehme mir in dem Mehr an Erholungszeit vor wieder zur Kamera zu greifen. Doch es kommt alles anders. Eine Gürtelrose verhagelt mir das Bergfest und parallel kollabieren die Geschmacksnerven. Bis auf ein paar längere Spaziergänge und grottig schlechte Aufnahmen kriege ich nichts gebacken. Die Nervenschmerzen begleiten mich noch heute, ein Mal, das wohl nicht weichen will.

Ich falle in Erinnerungen zurück, suche die Blogs, die über ihre Erfahrungen mit Hodgkin und BEACOPP eskaliert berichtet haben. Sie sind fast alle weg. Ich denke nicht, dass es die Betroffenen nicht geschafft haben. Immerhin waren es junge Menschen, was man von mir nicht behaupten kann. Vielmehr glaube ich, dass es das fehlende Interesse der Hobbyjournalisten/-autoren ist ihre – wichtige – Geschichte eines Hodgkin-Patienten nach der Chemotherapie weiter zu schreiben. Wo vorher die Ungewissheit und Unsicherheit zur Verarbeitung durch Schreiben motiviert hat, bekommt man heute für die ‚Probleme danach‘ nicht dieselbe Aufmerksamkeit. Oder verschiebt die eigenen Prioritäten. Schließlich hat man es doch geschafft, darf weiterleben und hat gefälligst mit dem Jammern aufzuhören. Ich halte dagegen:

Der eigentliche Kampf gegen die Erkrankung mit dem Hodgkin Lymphom hat nach dem Abschluß der Chemotherapie und dem negativen PET/CT begonnen!

So ist jedenfalls meine Erfahrung.

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Rückblick, weil ja alle irgendwie zurückblicken

Das Jahr begann mit viel Hoffnung, der nur meine Ungeduld im Weg stand. Ab Februar vier Wochen Wiedereingliederung, ab März nach 10 Monaten Abwesenheit wieder vollwertig im Job zurück. 10 Monate Abstand hinterlassen ihre Spuren, schärfen das Ohr. Vieles wirkt für mich befremdlich, ich meine es wird wenig gefordert, zu schnell der Kopf in den Sand gesteckt, mangelnde Belastbarkeit und allein der gute Wille wie eine Großtat honoriert. Das erzeugt Aggressivität. Auf beiden Seiten.

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