Erinnerungen werden wach

Morgendlicher Spaziergang, der wie immer und rein zufällig im Atelier einen Zwischenstopp einlegt. Tee trinken, Pinsel in die Hand nehmen, Kopfhörer auf volle Pulle und im Takt die Farbe verteilt.

Ich fühle mich an die Zeit der Chemotherapie erinnert. Wenn ich nicht an den Tropf musste und es mir halbwegs gut ging, dann bin ich ins Atelier geschlichen. Ich habe geschaut ob alles in Ordnung ist, vielleicht den einen oder anderen Handschlag gemacht, um zum Schluss im grossen Bogen in den Betonpalast zurück zu trotten. Damals wusste ich, warum ich es tat. Mir waren Alternativen, Risiken und Nebenwirkungen bekannt: Ich gebe Zeit mit der sehr sehr guten Chance Lebenszeit dazu zu gewinnen.

Heute ist das etwas anders. Medialer Gleichklang, als gäbe es ein Propagandaministerium, dass die Parole vorgibt. Da sind die Helden in vorderster Front, Frontberichte und tagtägliche Erfolgsberichte, volle Regale und alles gesichert. Ich sehe etwas anderes, Leere, Angst und Sorgen in den Augen derer, die mir auf Abstand entgegenkommen.

Mir fehlen Alternativen, die es gibt doch totgeschwiegen werden, kein kritisches Wort, kein Aufschrei. Drei Hauptakteure, die das Leben diktieren. Nicht weil sie müssen, sondern weil sie es können. Ihrer Macht wegen.

Die Zeit des Corona arbeite ich an einem Bild. Vom Ursprung ist nichts mehr übrig geblieben. Gestern wieder: Ich setze komplett neu an. Alles ist ähnlich wie vor vier Jahren, nur ist das Vorzeichen ein anderes. Ich gebe Zeit, weiss nur nicht für was ich das tue.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.