… ein weiteres Jahr geschafft

In dem Jahr, was vergangen ist, ging Paamii__!
Die Beisetzung war am Ersten dieses Monats, des Monats meines dritten ‚Geburttag‘.
Ich kannte sie von klein. Sie war ein Baby, ich fünf oder sechs Jahre alt.
Sie wohnte damals unter uns, eine Etage tiefer, alles über dem Kino Toni in Weißensee.
Berlin.
Nun hat sie sieben Jahre Kampf gegen den Krebs verloren.
Sie hatte aber auch sieben Jahre gewonnen.
Bauchspeicheldrüsenkrebs ist ein echtes Arschloch im Scheißhaufen Krebs.

Man kann sich nie sicher sein krebsfrei sein. Auch wenn die ‚Schock-Diagnose-Nachricht-Oh-Wunder‘-Propaganda der Qualitätsmedien suggerieren möchte. Das Leben ist endlich und Krebs kann das Ende verdammt weit nach vorne schieben. Trotz eigener ’sehr sehr guter‘ Prognose bin ich mir nicht sicher, dass bei mir für immer Ruhe ist. Zudem haben die Nebenwirkungen ihre Spuren hinterlassen. Ich möchte nicht klagen, es ist jammern auf hohem Niveau.

Mach’s gut Pamela.

Viel hatte ich dieses Jahr vor, einiges begonnen, um dann auf Abwege zu gelangen. Die Verarbeitung überlagerter Fotomaterialien hat mich in ihren Bann gezogen. Genauso wie die Arbeit mit flüssiger Fotoemulsion. Ich meine: 2019 ist ein verdammt kreatives Jahr für mich.

Ich liebe mehr denn je meine Einsamkeit im Atelier.
Einfach kreativ sein. Ohne Ausreden, ohne mich erklären zu müssen. Einfach aktiv sein, tun und in Handarbeit gestalten.

Privat habe ich bis zu einem gewissen Maß die Nase voll vom Menschen. Vor allem mit den Zeitgenossen, die laut durchs Leben ziehen und nur Aufmerksamkeit für Nichts erwarten. Oder die nur dazu sind da, anderen Menschen das Leben schwer machen zu wollen. Die Menschen die vergessen, was Dienst am Menschen bedeutet, die ihre Offenheit und Ehrlichkeit an der ach so menschlichen Feigheit scheitern lassen. Lasst einfach Dinge sein, seid ihr nicht mit dem Herz dabei. Das ist nicht nur Selbstbetrug und Betrug dem anderen gegenüber, es ist letztlich auch reine Lebenszeitverschwendung.

BILD Online schreibt: ‚Erschreckende Umfragen: Deutsche trauen sich nicht, offen ihre Meinung zu sagen!‘
Wie? Was?
Wir sind doch so freiheitlich und mega-tolerant!

Sind wir eben nicht, liebe Gutmenschen!

Ihr wollt, der Rest muss Bessermensch sein, keine bösen Worte sagen, alle gleichgestellt und auch noch ohne Geschlecht sein, Inklusion lieben und überhaupt nur das Sagen, was uns die Politik der Mitte vorgibt. Weiche ich mit meinen Gedanken davon ab, bin ich zuerst mal Nazi. Dann Rassist, Schwulen- und Lesbenfeind und was weiß ich alles noch. Ich kenne diesen euren ganzen Propagandascheiß! Den gab es auch schon in der DDR. Dort gab man mir zu verstehen, dass man meine Worte auch als die eines ‚Feind der Arbeiterklasse‘ interpretieren könnte. Und das nur, weil ich in einer Runde die betrunkenen Bauarbeiter vor der ‚Kaufhalle‘ angesprochen habe, die bierselig Frauen angemacht haben.

Schaue ich mir die laufenden Bilder von Hitler-TV (auch als ZDFinfo erreichbar) an, dann erinnert mich vieles an die DDR. Wie ließen sich Menschen nur wenige Jahre nach der braunen Diktatur so verleiten, massenorganisiert einem ausgewiesenen Massenmörder anzuhimmeln? Warum wurden im Namen der Arbeiterklasse Menschen ermordet? Kein Staat sollte das Recht haben Menschen zu töten, egal ob der Mensch selbst ein Mörder ist. Der Staat, die Gesellschaft, muss über verwerfliche Dinge stehen.

Es gibt mir zu viele Meinungen von Berufsempörten aus der Ecke einer bequemen Wohnzimmercouch. Wer etwas sagen möchte, soll sich zunächst einmal bewegen und selbst aktiv gestalten. Mit dieser meiner Grundeinstellung kann ich eine Greta Thunberg und ihre Klimaprinzessinnen im BDM-Style nicht ernst nehmen. Dabei: Es ist an der Jugend etwas zu ändern. Wir Alten haben da eindeutig versagt. Doch PR-trächtiger, dubios finanzierter blinder Aktionismus mit Blockaden und Lernverweigerung ist nicht die Lösung. Lernt, nur durch Wissen könnt ihr aktiv die Welt so umgestalten, dass der Mensch sich nicht selbst ausrottet.

Das ganze Gegenteil dazu ist Clemens und Nadine! Seit über vier Jahre verticken sie jede Nacht das ‚Mellow Comfort‘-Traumkissen, das Original versteht sich. Dieser Schwachfug der beiden Laiendarsteller nebst anderer grottenschlechter Hobbyschauspieler hat mich durch manch schlaflose Nacht begleitet. Damals, während der Chemotherapie. Dieses langhaarige blonde Blödchen scheint sich heute so zu schämen, dass sie untergetaucht ist. Naja, sie war nicht nur blöd sondern auch jung und brauchte das Geld. Allmählich entwickelt sich die ‚Mellow Comfort‘-TV Werbung zur bitteren Realsatire, zur Parodie einer Gesellschaft, die derart verblödet Ausgenommen werden möchte.

Ich habe heute einen Geburttag. Ja, Geburttag und NICHT Geburtstag. Die Erinnerung an das PET/CT am 21. November 2016 ist noch präsent wie damals. Alleine fuhr ich mit den Öffentlichen zur Klinik. Was für eine Anstrengung, wenige Wochen nach Ende der Chemo. Zur großen Überraschung folgte auch gleich die Auswertung und die Ärzte fanden nichts. Kurz flammte eine Freude in mir auf, ich hätte heulen können doch es ging nicht. Und so mühselig wie ich mich ins ‚Strahlenzentrum‘ geschleppt habe ging es wieder zurück. Allein. Ohne Hilfe. Seitdem begehe ich im Inneren den 21. November als meinen dritten Geburttag. Auf ins vierte Jahre des Weiterlebens!

Mein dritter Geburttag – er ist eine Flucht und ein Neubeginn!
Kunst und Kreativität, die nichts weiter als eine Arbeit mit Empfindungen und Gedanken ist.
Ich erspare mir den Psychologen, die Selbsthilfegruppe, das Selbstmitleid.
Die Zeit für die Suche nach freien Terminen, end- wie ergebnislosen Sitzungen und verweilen im Bett verbringe ich lieber produktiv im Atelier. Das Atelier ist das Beste, was mir passieren konnte!

Meiner Namensschöpfung Ronaldo Capybara gebe ich einen kreativen Sinn. Kreativer Sinn: Der Lichtbildpoet steht für Abzüge von Negativen unbekannter Fotografen, der Mausmaler und meine Mausmalerei für mein – ehemals – digitales Schaffen. Ronaldo Capybara soll für meine abstrakten Spielereien stehen, die in Richtung Malereien a la abstrakter Expressionismus, informelle Malerei, action- und random-, wohl doch eher zum aleatoric painting gehen. Ein Beispiel ist die Arbeit Nr. 1863. Hin und wieder lockt mich der Umgang mit Farbe, Strukturpaste, Materialien und Oberflächen. Der Gedanke BerührBilder zu schaffen ist schon eine Weile in mir präsent. Thematisch möchte ich mich auf nichts festlegen, ich tue das, wohin es mich treibt und was mir gefällt, eben ‚Mit ohne Plan in eine Vernunft des Zufalls‘.

Gerne suche ich in Suchmaschinen nach meinen Wortschöpfungen. Ist es nicht ’süß‘ in der Google Suche-Bildauswahl nach ‚ronaldo capybara‘ fragend meine Arbeiten neben Wasserschweinen zu betrachten. Zwischendrin taucht der homoerotisch anmutende Schönling Ronaldo darin auf? Noch besser ist es, wenn die Suchmaschine gar nichts mit dem Suchbegriff anfangen und noch nicht einmal alternative Suchergebnisse anbieten kann. Weiße Seite! Google & Co. einfach sprachlos. Bot’s, Automatismen und Maschinen ohne Argumente, weil ihn eben jede Kreativität fehlt.

Die Schattenseite menschlicher Kreativität!
Immer wieder tauchen drei Szenen in meinem Kopf aus, die das, was ich schaffe beeinflussen:
1. Alles läuft normal, plötzlich ein lauter Knall, ein heftiger Schlag und ich bin tot. Leere, absolute Leere.
2. Ich ringe um Atem, will mich aus der luftraubenden Umklammerung lösen, was mir im allerletzten Moment gelingt.
3. Aus der Tram steigend ist das Licht viel zu grell, alles ist um mindest zwei Lichtwerte überbelichtet und ich bekomme dieses Licht nicht in den Griff.

Über das Jahr treibt mich ein Gedanke um:
Dinge begreifen, die Dinge abstrahieren. Erkenntnis gewinnen, durch Denken.
Erfahrungen sammeln und Schlussfolgerungen ziehen.
Eben Verstand und Vernunft, die den Mensch zur Krone der Schöpfung machen soll.
Irgendwann stelle ich für mich fest, dass im Zufall, wenn der Zufall denn existiert, mehr Vernunft und Verstand steckt als im ach so überlegenem Tun des Menschen. Mit meinen Aleato- und Chemigrammen sind immer wieder ein paar Zufälligkeiten entstanden. Mit meinen inszenierten VernunftBildern helfe ich dem Zufall auf die Sprünge. Selbst in meiner abstrakten Malerei spielt der Zufall primär eine Rolle. Vernunft, das Vermögen durch Denken zur Erkenntnis zu gelangen. Sind meine VernunftBilder nicht eher ein VerstandBild? Geht es um Beobachten, Schlussfolgerung und eine Konsequenz daraus zu ziehen. Für den Verstand fehlt es an Erfahrung und so bleibe ich allein beim Denkprozess.

Weitere Ziele?
Ich gebe mich vorsichtig, denn es entwickelt sich alles und dann meist ganz anders.
Zeit, ich lasse mir Zeit. Nehme sie mir.
Alles andere erfüllt keinen erweiternden Zweck.

Das Internet soll mir beim ‚Lernen‘ des Abstrakten Malens helfen. Ich stoße auf das:

Zitat Anfang
Abstrakte Landschaft malen von Christina Jehne
Zum Malen einer abstrakten Landschaft suchen Sie sich zuerst frei eine Farbe ihrer Wahl aus, z.B. Rot. Damit das Rot auf der Leinwand stark und kräftig wirkt, beginnen Sie mit den Farben Gelb und Weiß für den Hintergrund und tragen diese flächig auf. Um einen gleichmäßigen Verlauf zwischen den Farbtönen zu erzeugen, mischen Sie in das Gelb immer mehr Orange und Rot dazu. Damit der Verlauf keine störenden Konturen bekommt, sollten die Farbtöne immer wieder mit etwas Weiß aufgehellt werden. Im Vordergrund des Bildes tragen Sie die Farben ebenso flächig auf wie im Hintergrund. Hier malen Sie vor allem mit kräftigen Rottönen, damit eine Ebene zwischen Hintergrund Vordergrund entsteht.

Zitat Ende

Ich fühle mich von dieser Christina Jehne völlig überfordert. Es ist ihre Lieblosigkeit, mit der sie an ihre Beschreibung geht. Deshalb gehe ich davon aus, dass ihre Bilder genauso schlecht und lieblos sind wie diese Phrasenleier. Doch das scheint in der Szene so üblich zu sein. Ich investiere in ein echtes Buch, für das Bäume sterben mussten: ‚Grundkurs – Strukturtechniken: Bilder malen und gestalten mit Strukturen und Acrylhilfsmitteln‘ von Gabriele Schuller. Zwar ist die Autorin gesprächiger als Christina Jahne, doch geht es um Technik und weniger um die Gedanke und Ideen, wie, wo und weshalb so ‚gekünstlert‘ wurde. Vielleicht bin ich schon zu weit, nicht mehr so blutig neu wie ich mich gebe.

Für mein nächstes Leben nehme ich mir das Malen vor. Die Fotografie lasse ich weg, obwohl es ‚Malen nach Zahlen‘, Pausvorlagen, Mal-Apps und Maleffekt-Filter gibt. Mich fasziniert die Strukturmalerei. Ich möchte Bilder nicht nur sehen, sondern auch anfassen dürfen. Das platte Malen mit Kohle, Aquarell und wie die ganzen Techniken auch heißen: Das Zeugs interessiert mich nicht. Wenn aber der Hauch des 3-Dimensionalen zu erkennen ist, dann bin ich hin und weg. Und so mische ich mir seit einiger Zeit meine ‚Strukturpasten‘ selbst, arbeite mit allerlei Material, das irgendwie Struktur gibt. Meine innere Zufriedenheit basiert allein auf der Möglichkeit, für mich allein kreativ zu sein. Alles andere ist irgendwie zu einem notwendigen, manchmal auch unangenehmen Ballast geworden.

Ich bin dankbar für jedes weitere Jahr.
Diese einmalige Chance kann ich einfach nicht ungenutzt lassen.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.