Sagt

Ein Geburtstag ist Käse. Fast bin ich geneigt zu behaupten, dass ich mich in diesem Jahr mehr über die ausgebliebenen Glückwünsche gefreut habe als das, was mir vereinzelt zugemutet wurde.

„Alles Gute blablabla … wir müssen mal wieder miteinander plaudern.“
„Ja gerne, komm einfach im Atelier vorbei“
„Hach nein, ich muss ja hier hin, fahre in Urlaub, hab keine Zeit trallalala.“

Warum wird gesagt, man möchte mit mir plaudern, wenn klar sein sollte, dass keine Zeit für ein Plauderstündchen ist. Ich würde es nicht erwähnen, keinerlei Erwartungen wecken. Das ist wie ein Coitus interruptus, die ganze Zeit den Kopf an, damit am Ende ja nichts schiefgeht. Oder Mariechen, nur mit einem Slip bedeckt, hüpft die ganze Zeit vor mich herum um mir dann zu verstehen zu geben, dass ich von ihr nur schön träumen darf.

„Wir denken an dich und reden häufig von euch. Wir sollten mal Zeit finden und telefonieren.“

Wenn mich nicht alles täuscht, zahle ich seit Jahren für „euch“ die Gebühren, halte eure Visitenkarte am Laufen und verlange noch nicht einmal ein Danke am Ende des Jahres. Da sollte doch, wenn ihr so häufig über mich-uns redet, mal ein spontaner Kommunikationsversuch drin sein. Auch hier wäre Schweigen einfach besser gewesen, zumal für mich Schweigen kein Zeichen von Schwäche ist.

Facebook hat mich wegen eines Vergehens gegen die guten Community-Richtlinien ganz hart bestraft: Ich durfte 24 Stunden lang nichts posten! Auweia! Dieser Zuckerberg glaubt auch an den Weihnachtsmann und die unbefleckte Empfängnis. Wenn ich wieder böse Sachen poste, werde ich sogar drei Tage an der Verbreitung meiner Halbweisheiten gehindert. Jetzt habe ich echt richtig Angst! Das ist doch Kinderkacke und keine „Strafe“. Jeder Zwangsausschluss an der Verbreitung virtueller Inhalte ist eine zweitwerte Befreiung!

Zeit. Ein weiteres Streitthema mit Kollapscharakter für mich. Jung an Jahren ist es mir nicht gelungen Streß zu identifizieren. Irgendwann häuften sich die Magenprobleme, die letztlich in ein paar Magengeschwüre endeten. Irgendwann ermahnte mich mein Hausarzt, ich solle einen Weg finden meine Belastung zu minimieren, sonst endet es eines Tages in einem Magenkarzinom. Was liegt da, der Bequemlichkeit wegen, näher, als zuerst an der Ernährungsschraube zu drehen. Zucker, Alkohol, Rauchen, eben all das „Gute“ des modernen Lebens halt. Nur geholfen hat es nicht, denn der Streß blieb.

Es ist die Frage nach dem Unsinn, dass etwas gehen muss, was mit etwas Nachdenken nicht funktionieren kann. Ich habe 1000 Euro und gebe 1500 Euro aus. Wieder und wieder, weil ich an meinen Ansprüchen und Erwartungen nichts ändere. Das geht eine Weile gut, kann auf Dauer aber nicht funktionieren. Um Stress abzubauen, muss Zeit da sein, in der sich mein Astralkörper erholen kann. Um mehr Zeit für mich zu haben, muss ich letztlich Dinge abwählen, egal wie gern ich sie mag und wie wichtig sie mir sind. Ohne „Opfer“ geht es nicht. Was mir heute als „entspannt sein“ und Lockerheit unterstellt wird ist reiner Selbstschutz. Es muss so sein, es geht für mich nicht anders und daran ändere ich für mich auch nichts. Mein Tag hat 24 Stunden, ein Teil davon bleibt für mich. Alles andere was nicht rein passt muss draußen bleiben.

Dazu gehört für mich auch, potentiellen Stressrisiken aus dem Weg zu gehen. Und so liege ich mit manch meiner Entscheidung ausserhalb des Vorstellungsbereich, da mich allein schon eine Vorstellung Achterbahn fahren lassen kann. Und wenn ich so vor mich hin leide, dann leide ich aber auch. Weil ich es kann. Oder ich nehme das Pochen auf „mein Recht“. Für mich ist dieses „Recht“ eine Unsitte unserer Zeit. Mein Erzeuger hat mich bösen Jungen „enterbt“. Natürlich kamen die flotten Ratschläge der Verwandten, die vorher brav spießig weggeschaut haben, ich solle um meinen Pflichtteil kämpfen. Was ich tunlichst bleiben liess. Trotz meiner Rechte bin ich dem Konflikt aus dem Weg gegangen. Ich wollte mich im Streit mit meinen Geschwistern und der Frau, die mich geboren hat, nicht selbst zerlegen. Zudem wollte ich verhindern, dass der Herr Vater oben auf seiner Wolke sitzend mit dem Finger auf mich zeigt und sich angetrunken darüber auslässt, wie undankbar ich bin.

Mein Entschluss steht fest: Ich lasse euch alle mal in Ruhe. Dann habt ihr mehr Zeit für eure wirklich wichtigen Dinge.

Autor: makkerrony

Der Macher des Lichtbildprophet ist ein bekennender Autodidakt, lebt in Berlin und geht seit mehr als zwanzig Jahren dem Hobby (Analog-)Fotografie nach. Sein Dilettantismus hat gereicht, in fünfzehn Jahre ca. 150 Artikel für Fotofachzeitschriften und vier Bücher, alles auf Papier gedruckt erschienen, zu schreiben.

2 Gedanken zu „Sagt“

  1. @ ZweifelnHochZwei: Ich finde es für mich im Nachhinein gefährlich, dass ich den Stress und die Auswirkungen quasi übersehen habe. Irgendwann, wenn dann mindestens ein Tag Ruhe war, ist der Körper so zusammengebrochen, dass ich mich total krank fühlte. Was dich angeht: Du wirst mit Bedacht die richtige Entscheidung treffen und die Geduld haben, die Dinge positiv zu verändern.

  2. Schöner Beitrag und interessant was du zum Stress schreibst. Deine Worte dazu haben mich zum Nachdenken angeregt … ich bin gerade in einer Situation, wo ich einige Probleme habe und medizinisch gesehen soll Stress nicht die Ursache sein, was ich etwas anders sehe und aus meiner Sicht Stress auf jeden Fall eine Teilursache ist. Dieses ständige ‚unter Strom‘ stehen ist auf Dauer nicht gut glaube ich und ich denke, dass ich mal darüber nachdenken sollte, ob alles, was mir gut tut noch tragbar ist und ob ich nicht manches vielleicht bleiben lassen sollte, auch wenn es sehr schade und traurig ist. Aber ich denke, dass der Gedanke ‚Selbstschutz‘ wichtig für mich sein sollte. Danke für diesen guten Beitrag!

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