Der Spieltrieb geht mir durch!
Leider, denn statt das Sommerwetter zu nutzen und draußen mit der Kamera wild drauf los zu knipsen, verkrümle ich mich lieber ins Atelier. Ich mache das Negativ zum Träger des Positivs und umgekehrt, verschweiße mit Gelatine unsensibilisierten ORWO Lithfilm auf ausgemustertes Tintenstrahl-Druckerpapier. Neulich war ich auf einem alten Bauernhof, habe dort alte Glasscheiben adoptiert. Ich lerne Glasschneiden, um die Platten mit flüssiger Fotoemulsion zu beschichten. Kanten schleifen, ich will mir keinen häßlichen Splitter einfangen.
Was den ORWO FU5 angeht, so liefert der ‚Lith – Selen-Tonung und Bad im Farmerschen Abschwächer‘-Prozess schon visuell Beachtliches. Bezogen auf mein Gusto, was ja nunmal sehr masseninkompatibel ist. Dabei darf der Abschwächer schon etwas stärker sein, wodurch die Verweilzeit im Bad schon recht kurz ist. Doch durch die Intensität und wenig Bewegung entstehen Schlieren, die sich im Bildausdruck hervorragend niederschlagen.
Jetzt also Glas und Flüssige Fotoemulsion. Bei der Reinigung setze ich auf das alkalische Soda. Die Oberfläche soll ruhig stumpf sein, da hält die Primer-Zwischenschicht besser. Geht mal eine Belichtung und Entwicklung schief, wird der Glasträger (etwa 18 x 24 cm) in Soda gereinigt. Normalerweise nehme ich Soda zum Bleichen von Cyanotypien, die anschließend in einem Schwarzen Tee-Konzentrat getont werden.
Ursprünglich wollte ich die mit Flüssiger Fotoemulsion beschichteten Glasträger lithen. Allerdings halten sie ungehärtet den Belastungen nicht stand. Da ist die Verarbeitung in Pyrogallol (Bergger PMK) ein Segen. Das Gerben beim Entwickeln macht die Gelatine strapazierfähig. Trotzdem füge ich im Gesamtprozess einen zweiminütigen Zwischenstopp in Kalialaun (250 ml Wasser + 30 Gramm Kalialaun) ein.
Lith der Fotoemulsion auf Glasträger. Ich muss wohl etwas an der Belichtungszeit und der Arbeitslösung ändern: Kurz und hart. Vor dem Beschichten die Flüssige Fotoemulsion mit Alaun oder einem anderen Härter zu versetzen widerstrebt mir. Ich müsste die Mengen genau bemessen und die präparierte Emulsion auch verbrauchen. Ich könnte das Alaun-Bad nach dem Beschichten vorziehen. Nur wie soll ich den Träger und die Emulsion trocknen?
Egal wie ich in den nächsten Tagen des Kurzurlaubs weitermache: Mein Spieltrieb macht alles aufwändiger und die Ergebnisse entrücken immer mehr der sogenannten ‚Fotorealität‘. Notiz an mich: Wolfgang Moersch hat einen Pyrogallol-Entwickler mit verbesserter Rezeptur im Angebot: Pyro 48, als Negativentwickler ausgelobt. Das wären mal schlappe 9 Euro mehr als der Bergger PMK. Wobei ich glaube, dass Moersch auch den PMK für Bergger produziert. Da bin ich beim nächsten Problem: Dieser meiner – elitäre – Spieltrieb geht gewaltig ins Geld.