Ein „frischer“ alter ORWO NP20 … was nun?

Im Laufe der letzten Jahre haben sich ein paar alte ORWO Fotofilme angesammelt, die endlich mal belichtet werden wollen. Den Anfang soll der NP20 machen, stilecht in der Lomo LCA verknipst. Erst wollte ich meine geliebte Exa 1b reaktivieren, doch war ich einfach zur separaten Belichtungsmessung zu faul. Gut, dem NP20 liegt ein Mini-Belichtungsratgeber bei, doch das anvisierte Sujet ist vom Licht her etwas komplizierter als die drei Vorgaben des Beipackzettel.

Ich packe den Film aus und beim Versuch, die Kunststoffhülle um die Filmpatrone zu entfernen, breche ich mir fast die Finger. Das Gefühl hatte ich schon damals, als es die DDR noch gab und ich mit der Beirette oder Exa 1b geknipst habe. Auf alle Fälle ist der Film gut verpackt, so als hätte ORWO damit gerechnet, dass der Film erst nach über dreissig Jahre in die Kamera gelegt wird.

In alten ORWO-Rezepten* nachgelesen, soll der NP20 bei 1 + 40 ganze neun bis elf Minuten in R09 baden. Darkroom Solutions gibt bei 1 + 20 fünf Minuten an. Die Zeiten erinnern mich an den Rollei Retro 80s. Ihn belichte ich statt mit einer ISO 80 mit einem EI 50 und entwickle ihn dann wie folgt:

Erste Minute kippen, dreißig Sekunden warten und dann wieder dreißig Sekunden kippen. Die Dose ruhen lassen. Dritte und vierte Minute Dose zweimal kurz kippen. Dose ruhen lassen. Sechste Minute zweimal kippen und Dose bis zur achten Minute stehen lassen. Fertig und den verbrauchten Entwickler ausgießen.

Diesen Entwicklungsrhythmus nenne ich heldenmäßig den MakkerRony Move. Bei der Papierentwicklung ist mir aufgefallen, dass die Bewegung des Fotopapiers im Entwickler am Anfang mehr Einfluss auf die Entwicklung des Bildes als das Schwenken am Ende der Entwicklung. Den ORWO NP20 als EI50 zu behandeln rührt einfach aus meiner Erfahrung heraus, dass derart alte Negativfilme bis zu einem Lichtwert mehr Licht vertragen können.

Voraussetzung, dass der ORWO NP20 trotz seines Alters noch halbwegs ordentlich funktioniert, ist eine halbwegs vernünftige Lagerung. Das kann natürlich niemand garantieren …

* Entwickeln, Norbert Göpel, VEB Fotokinoverlag Leipzig, 1976

Foma Retropan 320 soft und Rodinal

Während meiner unterbezahlten Autorenschaft unteranderem auch für die PhotoKLASSIK war ich in der glücklichen Lage, das eine oder andere Geheimwässerchen für die optimale Negativentwicklung ausprobieren zu dürfen. Wenn ich ehrlich bin: Nach dem Test und Artikel standen die teuren Suppen im Chemie-Kühlschrank herum und oxidierten vor sich hin. Ist etwas an normalen Filmnegativen zu entwicklen, dann greife ich zum Altmeister Rodinal oder eines seiner Derivate. Um meiner Unverfrorenheit noch die Kirsche als Krone aufzusetzen, bevorzuge ich den kornförderlichen 1 + 25-Ansatz der Arbeitslösung.

Irgendwann fiel mir der Foma Retropan 320 soft auf, wobei ich den Hinweis auf den Negativentwickler Retro Special gerne überlesen habe. Ich erinnere mich an Rollei’s RPX-Filme und den speziellen Spezialentwickler RPX-D. Auf so etwas bin ich zweimal hereingefallen: Einmal und nie wieder. In 99% aller Anwendungsfälle halte ich das Spezialzeugs für nicht notwendig. Für das letzte 1% gibt es Caffenol mit einem kleinen Spritzer echten Negativentwickler. So ein superspezial abgestimmter Negativentwickler, das allerfeinstes Korn und die allerallerfeinsten Grauwerte abliefern soll, geht auch unanständig ins liebe Geld.

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Kleine Farbbomben

Über Amazons priorisieren von Warensendungen habe ich mich ja bereits genügend ausgekotzt: Dringend benötigte Boxershots kommen in einem Monat, fünf Flaschen Allzweckreiniger am nächsten Tag. Ja, selbst mein Lieblingszeitvertreib im Corona-Hausarrest 1-2-3.TV und Christian Giese ist an jeder Ecke antibakteriell, weshalb Silikon wahnsinnig knapp wird und die Weiber sich ihre Hupen nicht mehr aufpolstern lassen können. Der aktuelle Wahnsinn kennt keine Grenzen. Damit auch ja die Spannung und Angst erhalten bleibt, wird jeder Funke Hoffnung medial stranguliert. Und so sitze ich nun ohne Unterwäsche im Atelier und kann mit bunten Holi-Pulver rumpudern, weil das nach Amazon-Priorität am nächsten Tag geliefert wird.

Eigentlich war ich auf der Suche nach Farbpigmenten. Wieso, weshalb, warum kann ich nicht sagen. Da tauchte in der Amazon-Suche das Holi-Pulver immer wieder auf. Aber ich wollte das nicht haben. In der Produktbeschreibung steht, dass es sich bei dem angebotenen Holi (Gulal)-Pulver um Maismehl und Lebensmittelfarbe handelt. Lebensmittelfarbe und Pigmentfarbe sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Dann sehe ich die Preise für Farbpigmente, die bereits thematisierten Lieferzeiten und entscheide mich für ein Miniset Farbpigmente und ein acht Farbensortiment Holi-Pulver. Es ist egal, wie ich meine Zeit im Atelier totschlage. Hauptsache endlich etwas bunt und kreativ.

Bis zum nächsten Tag befrage ich das Internet nach ‚Malen mit Holi Pulver‘. Immerhin sagt der Anbieter, dass man das mit seinem Pulver wunderbar toll machen kann. Das Wie bleibt er mir schuldig. Mir will das nur noch nicht so richtig in den Kopf. Wenn Maismehl Bestandteil des Holi-Pulver ist, dann kleistert das bei Wasserkontakt ganz schön rum. Es müsste eine riesige Sauerei entstehen. Wie will man damit Malen?

Holi-Pulver und Fotoshooting, dazu gibt es jede Menge im Netz zu sehen. Dafür möchte ich keinen Film verschiessen, zumal er sowieso Schwarzweiß wäre. Außerdem, wie sähe das Atelier danach aus? Mit Holi-Pulver malen will die Datenkrake nicht so richtig etwas ausspucken. Doch, es gibt ein drei Jahre altes Video. Darin wird das bunte Pulver zur Blume auf eine wenig dekorative Tischplatte gekippt und das war’s. Was ich aus der hoch dotierten Influencerszene zu lesen bekomme ist auch nur das, was ein Anbieter zum Besten gibt. Das ist nicht Malen, das ist lieblos hingekippt. Das Bild müsste immer so liegen bleiben, kann nicht an die Wand gehangen werden. Irgendwie muss das aufgetragene Holi-Pulver auf dem Bildträger möglichst dauerhaft fixiert werden.

Ich suche nach ‚Pulver malen‘ und ‚Sandbilder‘. Untergrund mit Bastelkleber bestreichen und Pulver auftragen wäre eine Variante. Doch ob es mit der Kombination Maismehl funktioniert? Mein erster Gedanke ist eine Schicht Gelatine aufzutragen und darauf das Holi-Pulver zu bringen. Aber Gelatine zieht zu schnell an, müßte außerdem gehärtet werden. Da fällt mir ein, dass ich kürzlich Zellleim geholt habe. Den angerührt und mit einem Spritzer Latex-Bindemittel versetzt, das sollte eine stabile Trägerschicht ergeben.

Beim Lesen der Inhaltsstoffe fällt mir auf, dass das Holi-Pulver zu 99% aus Maisstärke (corn starch) und 1% Lebensmittelfarbe besteht. Also nix Maismehl, was nicht ganz unwichtig ist. Mehl enthält neben Stärke auch noch Kleber, weshalb sich daraus auch ein vegan-biologisch-alternativer Kleister machen lässt. So ergibt die im Wasser nur schwer lösliche Maisstärke quasi ein Farbpigment aus Lebensmittelfarbe. Versuch macht klug: Für einen ersten Test trage ich auf einem Bogen Mixed Media-Papier eine gute Schicht Zellleim auf. Noch während die Schicht feucht ist, lasse ich von einem Spatel ‚Pulvertropfen‘ auf das Papier fallen. Danach kleckse ich noch etwas weiße Farbe drauf um zu sehen, wie die Farbe bis zum Endtrocken verläuft.

Ist der Bogen durchgetrocknet, entferne ich lose Reste des Holi-Pulvers. Um das Auftragen der schützenden Schlussschicht zu simulieren, nehme ich noch einmal den gepushten Zellleim zur Hand und trage zügig eine weitere Schicht auf. Ist loses Holi-Pulver sorgfältig entfernt, treten kaum Farbverläufe in der Deckschicht auf. Das Testblatt gibt in meinem Instagram-Account zu sehen. Ich glaube nicht, dass die ‚Pulvertropfen‘ als einzelnes Gestaltungselement mehrere Bilder von mir füllen werden. Ich sehe Kombinationen aus Struktur, klecksen und diese kleinen Farbbomben.

Und irgendwie erinnert mich dieses bescheuerte penetrant bunte Holi-Pulver an meine Kindheit und die Malerwerkstatt im Innenhof, in der die großen Werbeplakate an der Hausfront des Kino Toni entstanden. Denn neben Farbtöpfen gab es dort Gefäße mit Pigmentpulver, aus denen erst malbare Farben gemacht werden mussten. Der Gedanke stimmt mich etwas versöhnlich. Ich bin irgendwie schon froh keine neuen Boxershorts zu haben, dafür über einen Umweg an eine Sache wie die Malerwerkstatt erinnert zu werden, die mich heute beim Malen im Inneren leitet, auch wenn das Drumherum der Kindheit einfach Scheiße war. Danke Amazon für deine Priorisierung der unverständlichen Art.

Turaphot – Update

Fertig prozessierte Papierabzüge lasse ich, vorher auf einer Steinplatte gut ausgequetscht, auf dem Holztisch liegend lufttrocknen. Das klappt soweit ganz gut. Beim papierstarken Vephota-Papier sieht es etwas anders aus. Es kräuselt sich wie Hulle. Glücklicherweise nimmt das Papier, aber vor allem die Fotoemulsion das Glätten an der Tischkante mir nicht ganz so übel. Und so habe ich die betreffenden Abzüge etwa zwei Wochen gepresst und dann halbwegs so glatt gestrichen, dass die Abzüge scannbar sind.

Beim kartonstarken Turaphot spitzt sich die Situation aktuell zu. Der 10 x 15 cm Bogen wellt sich ebenfalls abnorm, nur meldet sich die Emulsion beim Glätten mit einem Knacken und hässlichen Rissen. Das ist nicht gut. Aus den Anfängen meiner ORWO-Exkursion mit abgelaufenen Fotopapier kenne ich den Zustand. Vereinzelt kann sich sogar die Emulsion partiell lösen. Das geht auch beim Turaphot so aus.

Um das Problem anzugehen, machte ich mich auf die Suche und bin bei meinen Recherchen bei Gesa Kolbe, ‚Gelatine – Eigenschaften und Auswahlkriterien in der Papierrestaurierung‘ hängen geblieben. Als einen Weichmacher für Gelatine beschreibt sie Glycerol (Glycerin, Glyzerin), das aber auch die Glastemperatur herabsetzt. Der Aspekt stört mich jetzt nicht so.

Anfänglich habe ich das Glycerin direkt auf ‚knackende‘ ORWO-Fotopapiere aufgetragen. Im Laufe der Zeit ist von mir das das Vorgehen abwandelt worden: Ich mische 5 Milliliter Glycerin mit 95 Milliliter Alkohol (Brennspiritus). So lässt sich Glycerin besser und vor allem gleichmäßiger auftragen, da der Alkohol die Oberflächenspannung nimmt und nicht die Gelatine anlöst. Entpuppt sich also eine Charge altes abgelaufenes Fotopapier als ‚Knacker’*, dann trage ich das Alkohol/Glycerin-Gemisch mit einem Wattebausch nach dem Quetschen auf die noch feuchte Emulsion auf. Der noch feuchte Bogen wird auf dem Holztisch an den vier Ecken so beschwert, dass er sich beim Trocknen nur kaum verziehen kann. Anschließend werden die Abzüge zwei Wochen gepresst.

* Wenn es leise im Atelier ist, dann kann man das Brechen der Emulsion beim Trocknen und damit Wellen der Abzüge hören.

Instant Lab und Impossible I-1

Nach dem unehrenhaften Abgang von Polaroid im Jahr 2008 war ich begeistert von den Idealisten, die sich noch im selben Jahr an das Erbe der Sofortbildfotografie machten und das the impossible project aus dem Boden stampften. Es war eine Offenbarung, als zwei Jahre später wieder Sofortbildfilme zum Beispiel im 600er Format auf dem Markt erhältlich waren. Im Nachgang betrachtet war es ein Riesenbeschiss: Das Material war nicht langzeitstabil, die Produkte oft fehlerhaft und unanständig teuer. Doch wer Perfektion suchte, war bei the impossible project schon immer falsch. Fotorealisten sind bei Fujifilm und ihren Miniaturbildchen der instax-Reihe besser aufgehoben.

2013 haute the impossible project das Instant Lab raus. Mit einer App, die als Projektor und Befehlszentrale fungiert, lassen sich digitale Bilder auf ein Sofortbild übertragen. Von der Idee und dem Produkt war ich überzeugt, legte es mir zu und tobte mich mit deren Hilfe in meine BetrachtSteine aus. 2016 brachte the impossible project die I-1 heraus. Auch diesem Produkt konnte ich nicht widerstehen. Es erwies sich als echter Fehlkauf. Weniger des hässlichen Designs wegens als viel mehr der technischen Unzulänglichkeiten wegen.

Seit September 2017 firmiert the impossible project unter dem Namen Polaroid Originals.

Noch heute wird die I-1 verhökert, deshalb mein verbales Nachtreten mit diesem Artikel. Ich selbst kann eigentlich nur warnen, sich dieses Teil anzutun. Ausgenommen, der Leser steht auf Probleme und ist professioneller Maker.

Recht schnell erweist sich der verbaute Akku als verdammt schmalbrüstig. Auf die ausgelobte Anzahl der Aufnahmen bin ich nie gekommen. Liegt es an der Bluetooth-Technik? Sie ermöglicht die Kamerasteuerung auch über eine App? Bald verliere ich die Lust an der Designkatastrophe. Das war mein Fehler!

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