Derangiert

Es sind wieder sechs Monate rum.
Ich muss zu Gandalf den Weißen.
Theoretisch, obwohl praktisch kein Zwang besteht.
Weil ich bin ja frei.
Und ich muss die richtigen Fragen stellen.
Wenn ich erzählen, besser berichten möchte, kann ich nicht bis zu meinem Gedankenende reden.
Denn eigentlich müsste alles anders sein, quasi fertig und keine Nachwirkungen.
‚Ist denn das noch nicht vorbei. Das ist doch nun schon so lange her‘.
Irgendwie dachte ich es auch.
Doch Ende November stelle ich fest, dass es erst mein dritter dritter Geburt-Tag ist.
Gesetzt den Fall, es wäre wieder was: Bekäme ich mittlerweile wieder volles Krankengeld?

Nein, es ist noch nicht vorbei.
Hin und wieder sucht mich der eine oder andere Schabernack wieder heim.
Es gibt das eine oder andere Problem, aber darüber reden möchte ich nicht.
Erst recht nicht in einer Kloppirunde anderer Betroffener.
Das ist Abgrenzung, quasi eine Gegeninklusion.
Ich brauche nicht mehr Leid, ich brauche handfeste Ideen, mich aus der selbstgewählten Isolation zu befreien.

Wobei:
Manchmal ist es gut von anderen deren Geschichte zu hören.
Siehe da, es gibt Parallelen.
Ja, es kann alles länger dauern und es kommt zu verfremdeten Schmerzerscheinungen.
Was erzählt mir dann Gandalf?
Warum macht er mich zu einem seiner Normteile?

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Wechselbad der Gefühle

‚Gandalf‘ lädt zu sich ein. Also nicht persönlich. Darum muss ich mich selbst kümmern. Er macht Vorschläge, wann wir uns zur nächsten Kontrolle treffen und ich mach dann den Termin.

Im September 2018 haben wir uns auf Anfang 2019 geeinigt. Nun hat es doch bis Ende Februar gedauert. Es kostet mich Überwindung einen Termin bei meinen Onkologen zu machen. Anfänglich war es der Geruch in der Praxis, der Übelkeit in mir hervorgerufen hat. Das hat sich mittlerweile gelegt. Selbst vom gelegentlichen Duft des Burger-Bräters, der eine Etage tiefer seinem Geschäft nachgeht, wird mir nicht mehr schlecht. Nein, es ist diese Ungewissheit in der Woche nach dem Besuch bei ‚Gandalf, dem Weißen‘: Kommt ein Anruf und ich muss noch einmal hin, weil sich ein Wert verschlechert hat? ‚Sauron‘ gar zurück gekehrt ist? Auch wenn ich versuche diesen Seelendruck gelassen zu nehmen, mein Unterbewußtsein lässt sich nicht täuschen. Er, der Druck, ist latent da.

Bis jetzt zeigte ‚Gandalf“s Daumen immer klar nach oben. Selbst der kritische Nierenwert bessert sich allmählich, auch wenn er noch nicht im Optimum ist. Juhu, könnte man meinen. Aber kommen die gelegentlichen Schmerzen in der Lendengegend vom Rücken oder sind es die Nieren? Mein Schmerzempfinden hat sich zu sehr verändert, so dass ich alte Erinnerungen an Vor-Chemo-Zeiten nicht verwenden kann. Ich muss neue Bewertungsmaßstäbe finden und ansetzen. ‚Gandalf‘ wird mich fragen wie es mir geht. Die eine oder andere Schwester auch. Mein Lieblingsspruch: ‚Wie sie sehen, ich bin noch da!‘.

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