Sechs Jahre

Gott sei Dank ist mein Ordnungssystem digital gehorteter Aufnahmen so organisiert, dass ich relativ schnell auf das Jahr komme, wann sie entstanden sind. Ich erinnere mich an die zwanzig Quadratmeter Büroraum gegenüber dem Heizwerk Marzahn. Fenster zur Sonnenseite. Eigentlich ideal für jemanden wie mich, der gerne mit dem gegebenen Licht arbeitet. Nur das Gemeinschaftsklo macht es schwierig, Modelle hierher in das Studio einzuladen.

Es ist über sechs Jahre her. Ein Clownskostüm und sie. Ein schwieriger Einstieg und doch kann ich mich noch heute an den Ergebnissen erfreuen. Die Aufnahmen sind zwar noch zu glatt und zu gewöhnlich, damals wusste ich es noch nicht besser. Es fehlt das Salz an der Suppe, um die Arbeiten abzurunden. Dafür bedarf es noch ein paar Jahre und einer großen Prüfung.

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Gedanken in grün

Jetzt ist es also ein Jahr her.
Ich meine mich zu erinnern, dass ich eigentlich nicht mehr schreiben wollte.
Für mich war die Luft raus.
Das kommt vor, dass aus sich kreuzenden Wegen die Luft raus ist.
Aus vielerlei Gründen.
Lebenswege entwickeln sich weiter.
Da passt der andere nicht rein.
Da ist es egal, wie gut oder schlecht man sich verstanden hat.
Es ist eine Frage der Qualität.
Wenn sie stimmt, dann darf es auch mal unrund laufen und Missstimmung herrschen.

Noch war der Kontakt in meinem elektronischen Adressbuch.
Vielleicht ein gutes Zeichen?
Ich sortiere gerne meine Kontakte aus.
Ist eine Zeit X verstrichen und wir haben nicht mehr miteinander geredet, dann werden wir auch zukünftig nicht mehr miteinander etwas zu tun haben.
Zwei oder drei Klicks und ein Kapitel ist geschlossen.
Nur selten kommt es anderes.
Viel zu selten, um meine Praxis zu ändern.

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Lückenhaft

Vor ein paar Tagen schreibt Ni Bombo in ihrem Blog über unsere diesjährige Fototour. Wir hatten über die Jahre ein paar Fototouren unternommen. Nur ist bei mir irgendwie die Chronologie der einzelnen Ereignisse auf der Strecke geblieben, was ich in meinem Beitrag Lückenhaft zum Ausdruck bringe … wenn man denn weiss, dass ich die Leere um meine Erinnerungen in dem Bildtitel aufgreife.

Ich versuche einmal zu rekonstruieren: Irgendwann war es für mich so etwas wie eine Tradition, am ersten Geburttag loszuziehen und die Zeit allein verbringen. Insofern das Vakuum mich nicht täuscht, fing es am 18. Geburtstag an. Die Frau, die mich geboren hat, bekam mal wieder einen Flitz und setzte eine angeblich geplante Geburtstagsfeier ab. Wahrscheinlich habe ich damals gegen ihre Norm verstoßen und musste bestraft werden. Wenigstens gab es keine Prügel und mir blieb der obligatorische Erdbeerkuchen erspart. Also ging ich ins Kino Tivoli und begehe dort feierlich meine Volljährigkeit.

Großer Zeitsprung

In den letzten … etwa zehn … Jahren schnappe ich mir eine Kamera und ziehe einfach dorthin los, wonach mir der Sinn steht. Berlin oder Potsdam, Hauptsache ich muss keine lieblosen Geschenke entgegennehmen und mich strahlemannmäßig darüber freuen. Oder Erdbeerkuchen essen, weil ich den ja so mag. Nein, ich mag ihn nicht! Meine Hassliebe zum ersten Geburttag liegt wohl darin begründet, dass es zu DDR-Zeiten Anfang Juli die Jahresabschlusszeugnisse gab, die Frau, die mich geboren hat, den Einstein in mir erwartete und somit nie mit meinem Zeugnis zufrieden war. Damit viel natürlich meine Geburtstagsfeier aus, aber es gab Erdbeerkuchen. Freilanderdbeeren sind Anfang Juli noch Saisonware und waren damit im Handeln oder im Garten verfügbar.

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Ein Beitrag ohne Überschrift

„Du lachst viel zu wenig. Ich möchte, dass du mehr lachst.“

Ach das mit dem Möchte ist so eine Sache. Ich möchte auch so vieles, doch es scheitert an der Realität. Ich kann niemanden meinen Willen aufzwingen, bin auf die Freiwilligkeit des anderen angewiesen und da fängt es dann halt an kompliziert zu werden. Sicherlich ist das Lachen irgendwo zwischen damals und hier auf der Strecke geblieben. Und sie kennt mich lachend. Wir haben viel gelacht und unsere Späße gemacht. Ich glaube aber, was auf der Strecke geblieben ist, es muss so sein. Jeden Tag muss ich mich, auch wenn dieser Gedanke in manchen Köpfen unter Tradition fällt und damit abgeschafft gehört, der Demut die ich leisten muss erinnern. Es braucht diese Demut, damit ich dankbar ohne enttäuscht über die zwangsläufigen Konsequenzen sein kann. Würde ich alles ignorieren und einfach irgendwie weitermachen, ich wäre ein einsamer Diktator.

Mit der Zeit verblassen böse Erinnerungen, können sich sogar ins Positive verklären. Nur gehen die Gedanken nicht weg. Sie bleiben haften, wie ein achtlos ausgespuckter Kaugummi, der sich unter meiner Schuhsohle ein neues Zuhause gesucht hat. Immer wenn es heisst, jetzt ist wieder die Zeit X herum und ich muss diese Räume betreten, ist aller emotionaler Abstand für die Katz. Ich bin wieder in dieser geistigen Tretmühle drin, auch wenn Gandalf der Weiße mich freudig mit einem lautstarken Hallo begrüsst.

„Worüber denkst du nach?“

Wir haben so ein Spiel: Wir schauen dem anderen in die Auge, versuchen nicht auszuweichen und ergründen, ob der gegenüber in Gedanken ist oder nicht. Merkwürdig, ihr kann ich so in die Augen schauen. Würde sie mir sagen, sie ist rein und unschuldig, ich nähme es ihr ab.

„Ich denke über das weniger Lachen nach. Wahrscheinlich ist es so, dass ich weniger lache“ antworte ich.

Bin ich verärgert, wütend, traurig oder was weiss ich, dass ich nicht mehr so herzhaft lachen kann? Ich denke ja eher im Inneren unendlich dankbar zu sein. Es hätte auch alles anders laufen können und was ich in den vier Jahren danach erlebt habe, ist wie ein grosses Geschenk für mich. Gefühlt befinde ich mich auf einer Nebenspur des Lebens, auf der ich ungefährdet das rasante Leben der anderen beobachte. Viele rufen mir zu, dass sie auch so gerne entspannt dahin gleiten und sich dem mörderischem Speed einer zutiefst oberflächlichen Zeit entziehen wollen. Doch im nächsten Wimpernschlag sehe ich nur noch einen kleinen schwarzen Punkt am Horizont. Ein kleiner Fliegenschiss, kaum noch zu erkennen. Das wars also mit der Absicht. Es gehört Mut dazu die Spur zu wechseln. Ich bin nicht mutig, ich bin ein Feigling. Ich wurde dazu gezwungen und ich bin dafür unendlich dankbar.

Ich habe das Leben gesehen. Die bittere Realität und das lässt sich nicht ausblenden, weil mir mein Leben mittlerweile wieder etwas Wert ist. Und wenn ich das vergesse oder gar übermütig werde, dann holt mich nach einem halben Jahr die Realität wieder ein. Dann sitze ich im Warteraum und sehe die, die jetzt gegen Sauron um ihr Leben kämpfen. Ich sehe die wenigen Haare, ich sehe die fahlen bleichen Gesichter, den schleppenden Gang. Ich sehe das, wie ich ausgesehen habe, wie ich gegangen bin. Hier, in dieser Höhle aus Beton, herrscht nicht die Schnelligkeit einer Systematik, die die eigene kreative Triebfeder krank macht. Hier, in diesen Räumen heisst die Zauberformel Zeit für mehr Zeit. Zeit. Sie ist wieder vorbei und es ist offen, ob und wann wir uns wiedersehen. Ob Zeit zum Lachen bleibt, ob es viel zu erzählen gibt, kleine Minimomente unsere Erinnerungen prägen oder Zeit ist, sich anzuschauen, ohne dass die Augen die Flucht antreten. Eine andere Zeit wird es nicht geben.

Gibt es nicht diesen Timm Thaler, der sein Lachen an den Teufel Lefuet verkauft hat? Ich bin mir nicht bewusst, das jemals getan zu haben. Und selbst wenn es so wäre, ich würde mein Lachen nicht zurückhaben wollen. Das herzhafte Lachen, kleine Spass zwischendurch, der Humor von damals ist Geschichte. So wie andere Dinge auch Geschichte für mich sind. Gern würde ich wollen, auch für dich, aber ich würde meinen Weg verleugnen. Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und ein Preis ist offensichtlich das Lachen von damals.

Besuch

Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen?

2019 kann es nicht gewesen sein. Wir wollten mal schauen den Vergnügungspark Plänterwald zu besuchen. Es blieb bei der Absichtserklärung, was vielleicht ganz gut war. Denn so gab es heute bei unserem Wiedersehen eine warme, sehr herzliche und lange Umarmung.

Wenn aus meiner Sicht irgendetwas diese Freundschaft geprägt hat, dann war ein besonderes Treffen während meiner Chemotherapie: Alt-Marzahn, ein sonniger Tag und wir sitzen draußen auf der Bank im Dorfkern. Wir reden viel, wohl hauptsächlich über mich. Über die Krebserkrankung, Heilungschancen und vieles mehr. Für den Moment damals ist mir vieles egal, denn ich habe jemand mit dem ich reden kann.

Dabei hatten wir am Anfang unserer Freundschaft Probleme mit unserer Kommunikation. Ich glaube sie wollte, dass wir uns mehr schreiben. Dagegen hatte und habe ich etwas. Bei aller Verbundenheit und Zuneigung, es sollte etwas Besonderes bleiben, dass wir uns schreiben. Kein tägliches Update, eher die freudige Überraschung, vom jeweils anderen zu hören. Kein Schreiben des Schreibens willen.

Wir treffen uns, weil es die Zeit erlaubt und wir gemeinsam ‚Klecksen‘ wollen. Es sind meine ‚Zufallsbilder‘, die uns gegenständlich wieder zusammenbringen. Und wie wir so sitzen, Tee trinken und an einer Laugenbrezel knabbern, fällt das Thema auf das Entstehen, Gedanken und Ideen zu den Bildern. Ich gebe mich zunächst zurückhaltend. Meist wird nicht verstanden, was meine Motivation ist, dass ein Ziel oft auch erst mit der Zeit entstehen kann. Am Anfang ist alles offen, jedenfalls für mich und meine Bilder. Ich kann und möchte nicht den Planvollen geben, nur weil es nach dem großen und beherzten Künstler aussieht. Bin bin vieles, nur nicht das.

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