Wo ist da was anders?

Beim Einläuten des Shut- und/oder Lockdown tönen die Propagandisten, dass nichts mehr so sein wird wie bisher. Stimmt. In der Nacht des Shut-Lock-Down herrschte Ruhe. Ja, ich bin geneigt zu sagen es herrschte Stille. Das war es dann aber schon. Die besonders Kühlen unserer Zeit nutzten die freien Pisten für ein Autorennen gegen sich selbst. Wenn der Puller klein ist, braucht Mann irgendetwas, womit er zeigen kann ein echter Pavian zu sein. Shutdown, Lockdown, was bedeutet das eigentlich. Egal, es wird nach einem Vierteljahr immer noch betont, dass dieser Virus neuartig ist.

Unser Umgang mit den Helden, über die heute keiner mehr redet: Das neuartige Corona – COVID-19 – Virus hat den Abstand des Menschen zum Mensch nur noch vergrössert. Das social distancing wurde zum social media distacing ausgeweitet. Bestand auch dort eine Ansteckungsgefahr? Klar, was Verdummung und latente Blödheit angeht schon. Aber auch COVID-19? Wo ich erwartet habe, das zusammengerückt und nachgedacht wird, kam es zu allerlei Kuriositäten. Corona und der Zwang zur Distanz hat das Zweckbündnis der Langeweile gegen die Einsamkeit salonfähig gemacht. Ohne den tagtäglichen Lärm und die permanente Ablenkung hat der Shutdown die Lästigkeit des selbstgewählten Lebenspartners und der eigenen Brut offenbart. Der Schrei nach Hilfe ist gross. Das ist einfacher statt im Moment der Ruhe und Befreiung von der Lärmverschmutzung zu überlegen, wie jeder für sich selbst sein Leben neu aufstellen kann. Die Gedanken der ersten Lockerungen drehten sich um den Frisör und die Urlaubsreise. Gibt es keine anderen Probleme? Die Natur kann sehr hart sein und ausgerechnet die Bestie unter den Lebewesen, der Mensch, mimt als Gutmensch getarnt die Weichflöte.

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Lebensqualität

Bis zu jenem ersten Samstag Anfang Mai 2016 meine ich dieses Wort ‚Lebensqualität‘ nie wahrgenommen zu haben. Es war ein Weißkittel, der mich wenige Stunden vor Beginn der Chemotherapie ‚offiziell‘ über meinen Gesundheitszustand aufklärte. Vom Februar bis eben hin zu diesem Tag im Mai bestand mein Wissen nur aus dem Rumgedruckse der Ärzte, Andeutungen und dem Lesen der immer offenen Arztbriefe. OK, da war noch der Operateur bei der Biopsie eines Lymphknoten. Kurze Zeit nach dem operativen Eingriff stand er mit seinem Doktoren-Geschwader vor meinem Luxus-Kassenpatient-Krankenbett und ließ mich wissen, dass es sich wohl um ‚malignes Lymphgewebe‘ handle. Der Rest der Meute schaut mich bedröppelt an und ich verstehe nur Bahnhof. Nicht weil ich es nicht verstehen will, die Narkose tut einfach noch ihre Wirkung.

Im Bett gegenüber liegt Schneewittchen. Er sieht eigentlich wie ein Frosch mit Minipli aus, liegt nur auf dem Rücken in seinem Krankenlager und schnarcht so laut, dass Ohrstöpsel nutzlos sind. Ihm wurde Fettgewebe aus der Halsgegend entfernt und selbst nach bekunden seines Weibes leidet er nun wie es nur Männer können. Nachdem die Ärzteschar das Vier-Mann-Zimmer verlassen haben, meint Schneewittchen zu mir: ‚So eine Diagnose möchte ich ja nicht haben.‘ Schön dass er wenigstens verstanden hat, was der Weißkittel mir gerade gesagt hat. Und wo wir schon beim Austausch unserer Leiden sind, meldet sich mein linker Bettnachbar: ‚Also ich kann ja so schwer atmen und lass mir deshalb die Nase operieren.‘ Mir platzt hier gleich der Kragen. Ich rapple mich auf und schlepp mich aus dem Zimmer. Irgendwer muss mir das Gesagte noch einmal erklären, für Dummies im Narkoserausch.

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Wechselbad der Gefühle

‚Gandalf‘ lädt zu sich ein. Also nicht persönlich. Darum muss ich mich selbst kümmern. Er macht Vorschläge, wann wir uns zur nächsten Kontrolle treffen und ich mach dann den Termin.

Im September 2018 haben wir uns auf Anfang 2019 geeinigt. Nun hat es doch bis Ende Februar gedauert. Es kostet mich Überwindung einen Termin bei meinen Onkologen zu machen. Anfänglich war es der Geruch in der Praxis, der Übelkeit in mir hervorgerufen hat. Das hat sich mittlerweile gelegt. Selbst vom gelegentlichen Duft des Burger-Bräters, der eine Etage tiefer seinem Geschäft nachgeht, wird mir nicht mehr schlecht. Nein, es ist diese Ungewissheit in der Woche nach dem Besuch bei ‚Gandalf, dem Weißen‘: Kommt ein Anruf und ich muss noch einmal hin, weil sich ein Wert verschlechert hat? ‚Sauron‘ gar zurück gekehrt ist? Auch wenn ich versuche diesen Seelendruck gelassen zu nehmen, mein Unterbewußtsein lässt sich nicht täuschen. Er, der Druck, ist latent da.

Bis jetzt zeigte ‚Gandalf“s Daumen immer klar nach oben. Selbst der kritische Nierenwert bessert sich allmählich, auch wenn er noch nicht im Optimum ist. Juhu, könnte man meinen. Aber kommen die gelegentlichen Schmerzen in der Lendengegend vom Rücken oder sind es die Nieren? Mein Schmerzempfinden hat sich zu sehr verändert, so dass ich alte Erinnerungen an Vor-Chemo-Zeiten nicht verwenden kann. Ich muss neue Bewertungsmaßstäbe finden und ansetzen. ‚Gandalf‘ wird mich fragen wie es mir geht. Die eine oder andere Schwester auch. Mein Lieblingsspruch: ‚Wie sie sehen, ich bin noch da!‘.

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Marvins Prophezeiungen No. 46

Ich stehe auf einer großen grünen Wiese,
das Leben genannt,
in Mitten eines Kraters,
mein Kopf kann gerade über den Rand sehen.

Ich höre den Lärm der Einschläge,
die Sonne scheint heller als sonst,
ich wollte nicht sterben,
bin zurück mit neuen Bildern im Kopf.