Mehr als Zufall

Mit meinen Klecksereien möchte ich nicht per rein zeitlichen Zufall ein Sujet festhalten. Für diese Technik ist die Kamera viel besser geeignet. Des Weiteren ist mein Mal- und Zeichenstil so stümperhaft, dass das Ergebnis einfach nur schlecht wäre. Ich möchte, dass der Zufall gutschlecht mein Bild malt. Demnach lässt sich theoretisch auch nicht vorhersagen, wie die fertige Arbeit aussieht. Praktisch habe ich eine Vorstellung, wie ich ein Bild gestalten möchte. Doch das Ende hat mit dem gedachten Ursprung nie etwas zu tun.

Im aleatoric painting geht es eben zu wie im realen Leben: Der Zufall entscheidet! Der Zufall macht das Bild einzigartig, weil es sich nicht vorherberechnen lässt. Mit Zufall lässt sich aber auch meine Ideen- und Hilfslosigkeit überspielen.

Wie male ich zufällig?
Zufall als bildgebendes Element hat schon immer eine Rolle in der Malerei gespielt. Zufall ist die Aufforderung an den Betrachter, sich mit seiner eigenen Fantasie ein Bild zu machen. Zufall im Sinne des aleatoric painting bedeutet auch, dass das aktive Handeln ein Bild entsteht. Des Weiteren definiere ich für mich: Eine fertige Arbeit kann als das Aufschichten verschiedener Maltechniken verstanden werden. Hin und wieder greife ich auch auf Collagen und strukturgebende Materialien zurück.

Malen und Spachteln
Der Name sagt es eigentlich. Neben dem klassischen Pinsel und Spachtel benutze ich alles, was sich zum Verteilen und oberflächlich Strukturieren lässt. Mein ‚Lieblingswerkzeug‘ ist der Schaumstoffroller, wobei auf die Rolle Farbe auch in Punkten und Streifen aufgetragen werden kann. Was man nicht glauben mag: Trotz aller ‚Zufallstechnik‘ steckt viel Arbeit mit dem Pinsel in meinen Arbeiten. Ich lege Wert auf punktuelle Akzente wie auch eine gewisse Plastizität durch gemalte Spitzlichter oder Schatten.

Struktur abreiben
Eine strukturierte Oberfläche wird mit einem Bogen Papier abgedeckt und mit einem Stift ‚abgerieben‘ (siehe Max Ernst). Wie ich finde ist diese Technik eine gute Basis für den ‚Hintergrund‘ einer Art.

Tropfenlassen
Aus einem sich bewegenden Gefäß tropft Farbe auf den Bildträger (siehe Jackson Pollock). Bildträger, damit meine ich die Leinwand, Holzplatten oder was auch immer Farbe tragen kann. Genauso gut lässt sich ein Pinsel satt in Farbe tränken und bewegt über den Bildträger wieder abtropfen. Pollock’s Idee ist vielfältig abwandelbar.

Abklatschen
Farbe oder Farben werden zufällig, am besten punktförmig auf einen Bogen aufgetragen, der dann auf den Bildträger gelegt wird. Dieser Vorgang kann mehrfach wiederholt werden, wobei nicht jedesmal die Farbe erneuert werden muss.

Spritzen
Farbe wird irgendwie auf den Bildträger geschleudert. Ich schnipse mit gefüllten Pipetten, flexiblen Spachteln, HNO-Löffel oder was auch immer. Jedes Teil erzeugt sein eigenes Streumuster.

Laufenlassen
Farbe dick als Strich oder nur punktuell auftragen und durch die Schieflage verlaufen lassen. Dabei kann der Bildträger selbst auch schief gestellt werden. Schräge Verläufe bringen etwas ‚Dynamik‘ ins Bild. Ich mag es den Fliesseffekt so einzusetzen, dass in der fertigen Arbeit die Verläufe gegen die Erdanziehung zu sehen sind.

Abrollen
Kugeln, sei es aus Vollmaterial, Schaumstoff oder Rattan-Gebinde mit Farbe beschichten und anschließend über den Bildträger rollen. Praktisch lassen sich auch Papprollen in Linien, Punkte oder großflächig mit Farbe versehen und dann damit auf dem Bildträger abrollen.

Und was gibt es sonst noch zu erwähnen?
Ich nehme mir Zeit! Ein Bild trocknen lassen und tagelang nicht anzusehen wirkt Wunder. Schwierig ist es den Punkt zu finden, wann es fertig ist. Ich versuche mich nie von der ersten Euphorie blenden zu lassen. Die ‚Schönheit‘ meiner aleatorischen Klecksereien will erst entdeckt werden. An einem eye catcher verliere ich schnell die Freude. Die Arbeit darf nicht zu verkopft werden. Was zu sehen ist, ergibt sich immer erst ganz am Ende. Schalte dafür den Erwachsenen in dir ab, fühle und handle wie ein Kind.

Abrufen von Erfahrungen

Der ‚First Flush‚ meiner Glasbeschichtungen ist eine magere Ausbeute. Von neun 18 x 24 cm-Glasplatten kommen nur zwei in die Endrunde. Alles andere hat mir zu viele Macken. Also wandern die mit Fotoemulsion beschichteten Scheiben in ein Sodabad, dass alles blitzschnell ablöst. Ohnehin erweist sich die alkalische Reinigung als effizient. Verwende ich einen gerbenden Entwickler, hält die Fotoemulsion den fotochemischen Prozess stand. Gerbende Entwickler gibt es – meines Wissens nach – nur für ‚Negative‘. Das macht die kreative Arbeit teuer.

Von meinen Experimenten mit Brenzkatechin ist noch etwas Moersch Tanol übrig. Ich missbrauche den ‚Negativentwickler‘, um damit Positive zu entwickeln. Insbesondere auf Hadernpapier der Marke Khadi. Zwischendurch habe ich es mit Khadi-Hadern und der Lith-Entwicklung versucht, doch die Emulsion hält noch nicht einmal bis zum Fixieren. Die Fotoemulsion wird zur weichen Masse, die sich in Flocken vom Träger löst. Tanol, besser jedoch Pyrogallol im Bergger PMK, machen die Schicht stabil. Das abschließende Bad im gelösten Kalialaun (1 g auf 10 ml Wasser) erweist sich als gutes Finish, bevor es ans Tonen und Abschwächen/Bleichen geht.

Eigentlich wollte ich die letzten Tage auch mit anderen Dingen verbringen. Doch spielte das Berliner Wetter nicht mit, sollte ich anderes tun was sich dann plötzlich erledigt hat oder man fühlte sich nicht gut. Ich fühle mich auch nicht gut, lasse nur nicht die Pussy raushängen. Im nächsten Leben möchte ich im Sternzeichen Mimose, Aszendent Weichflöte geboren sein. Und so mache ich mir beim Schneiden der Gebrauchtglasplatten Gedanken, wieso und weshalb ich das alles tue. Wenn im September/Oktober die Ausstellung(en) des Fotografischen Frühschoppen gelaufen sind, nehme ich mir bis Jahresende eine Auszeit. Es soll an eigenen Projekten gearbeitet werden und ich bin gern bereit beratend begleitend tätig zu werden.

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Kurzurlaub

Der Spieltrieb geht mir durch!
Leider, denn statt das Sommerwetter zu nutzen und draußen mit der Kamera wild drauf los zu knipsen, verkrümle ich mich lieber ins Atelier. Ich mache das Negativ zum Träger des Positivs und umgekehrt, verschweiße mit Gelatine unsensibilisierten ORWO Lithfilm auf ausgemustertes Tintenstrahl-Druckerpapier. Neulich war ich auf einem alten Bauernhof, habe dort alte Glasscheiben adoptiert. Ich lerne Glasschneiden, um die Platten mit flüssiger Fotoemulsion zu beschichten. Kanten schleifen, ich will mir keinen häßlichen Splitter einfangen.

Was den ORWO FU5 angeht, so liefert der ‚Lith – Selen-Tonung und Bad im Farmerschen Abschwächer‘-Prozess schon visuell Beachtliches. Bezogen auf mein Gusto, was ja nunmal sehr masseninkompatibel ist. Dabei darf der Abschwächer schon etwas stärker sein, wodurch die Verweilzeit im Bad schon recht kurz ist. Doch durch die Intensität und wenig Bewegung entstehen Schlieren, die sich im Bildausdruck hervorragend niederschlagen.

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Hart auf hart

Ich bin ja so ein kühler Extremst-Experimenteller!

Der Vollprofi sieht meine Überheblichkeit sicherlich anders, schließlich beherrscht er allein das Fach. Wenn der Vollprofi seine experimentelle Ader entdeckt, dann geht er richtig kernig zur Sache: Der Könner wechselt vom P-Modus in die manuelle Belichtungssteuerung und klebt sein Kameradisplay ab! Was sind die wahren Profis auf fotocommunity, view und flickr doch mutig.

Ich kann da nicht mithalten, denn ich krepele immer noch auf Film und Handabzügen statt auf teuerstem Tablet oder Ultra HD-TV herum. Mir tut das auch kein bisschen Leid. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal ein Update in meinen Meopta-Vergrößerer einspielen musste und wieviel mich das ganze Zubehör gekostet hat. Mein rückwärts gewandtes Tun ist nachhaltig, denn ich arbeite mit dem, was ein Meister der leidenschaftlichen Langeweile wegschmeißen würde.

Seit Monaten steht ein Karton im Büro meines Betonpalasts. In der einen Schachtel vermutete ich 18 x 24 cm-Fotoplatten. Lesen hilft auch dem Lichtbildprophet ungemein weiter: Es ist Filmmaterial auf Kunststoffträger. Gefühlt würde ich das Material in die sechziger oder siebziger Jahre des vorherigen Jahrhunderts einordnen. Perutz soll 1964 an Agfa gegangen sein, in dem Dreh denke ich auch war das Herstellungsdatum des Perulith-Films. Sieben Blatt bleiben mir. Da ist eine Belichtungsreihe was für weichgespülte Fotomuschis. Das was beim Belichten und Entwickeln schief geht, verkaufe ich als hohe Kunst. Als Stümper und Dilettant kann ich mir so etwas erlauben. Der nächste Schuss sitzt, Pyrogallol ist halt ein sehr gutmütiger Entwickler und bringt diesen gelb-grünlichen Ton ins Negativ. Die PosaNeg-Reihe ist geboren.

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Alaun, Gelatine und all das andere Zeug

Da schieße ich mich auf eine indische Sorte Hadernpapier ein und der siegreiche Turbokapitalismus versagt auf ganzer Linie. Weder beim Hersteller noch über die üblich-verdächtigen Online-Vertriebskanälen ist passendes Material zu haben, ohne nicht gleich hoffnungslos zu verarmen. Ich könnte größeres Material in der gewünschten Grammatur bestellen und dann gekonnt zerschneiden. Nur bin ich gerade auf dem Trip den zerrupften Rand zu erhalten und in A4 abzuziehen. Es gibt genug andere Hersteller von Hadernpapier, doch deren Produkte sind so gnadenlos weiß und oberflächlich fein strukturiert. Papier dieser Art ist für einen elendigen Stümper zu perfekt und viel zu teuer. Dann lieber das Canson Mix Media-Papier im Börsenportal Amazon gekauft, wenn der Preis aus der aktuellen Traumwolke auf den Boden der Tatsache gefallen ist.

Nächste Woche startet analogue now mit dem Photo Weekend 2019. analogue now? Ja, das ist die Berliner Truppe, die die analoge Fotografie mit einem eigens veranstalteten Festival ganz groß herausbringen will und eher mit sich selbst als mit dem heeren Ziel beschäftigt ist. Sie sucht Helfer und verbraucht Helfer, oder ignoriert sie. Als ich noch als Autor aktiv unterwegs war, gelang es mir nicht einen Artikel zum Bemühen der Racker zu platzieren. Redaktionsmeinung: Viel Tamtam, wenig Leute und – wie bereits gesagt – die Jünger waren lieber mit sich selbst beschäftigt. Über die Jahre der Scheinexistenz des Vereins wurden Festivals abgesagt und es geschah auch nichts mehr. Nun ein neuer Anlauf und lasst mich raten: Viel Zeit investiert und ein lahmes Programm weniger Selbstdarsteller. Kurz um: Ein Besuch lohnt sich nicht, es sei denn, man möchte den selbstverliebten Dinos bei deren Untergang zusehen.

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