Alaun, Gelatine und all das andere Zeug

Da schieße ich mich auf eine indische Sorte Hadernpapier ein und der siegreiche Turbokapitalismus versagt auf ganzer Linie. Weder beim Hersteller noch über die üblich-verdächtigen Online-Vertriebskanälen ist passendes Material zu haben, ohne nicht gleich hoffnungslos zu verarmen. Ich könnte größeres Material in der gewünschten Grammatur bestellen und dann gekonnt zerschneiden. Nur bin ich gerade auf dem Trip den zerrupften Rand zu erhalten und in A4 abzuziehen. Es gibt genug andere Hersteller von Hadernpapier, doch deren Produkte sind so gnadenlos weiß und oberflächlich fein strukturiert. Papier dieser Art ist für einen elendigen Stümper zu perfekt und viel zu teuer. Dann lieber das Canson Mix Media-Papier im Börsenportal Amazon gekauft, wenn der Preis aus der aktuellen Traumwolke auf den Boden der Tatsache gefallen ist.

Nächste Woche startet analogue now mit dem Photo Weekend 2019. analogue now? Ja, das ist die Berliner Truppe, die die analoge Fotografie mit einem eigens veranstalteten Festival ganz groß herausbringen will und eher mit sich selbst als mit dem heeren Ziel beschäftigt ist. Sie sucht Helfer und verbraucht Helfer, oder ignoriert sie. Als ich noch als Autor aktiv unterwegs war, gelang es mir nicht einen Artikel zum Bemühen der Racker zu platzieren. Redaktionsmeinung: Viel Tamtam, wenig Leute und – wie bereits gesagt – die Jünger waren lieber mit sich selbst beschäftigt. Über die Jahre der Scheinexistenz des Vereins wurden Festivals abgesagt und es geschah auch nichts mehr. Nun ein neuer Anlauf und lasst mich raten: Viel Zeit investiert und ein lahmes Programm weniger Selbstdarsteller. Kurz um: Ein Besuch lohnt sich nicht, es sei denn, man möchte den selbstverliebten Dinos bei deren Untergang zusehen.

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Hadern

Was denkt wohl Leser, liest er die Überschrift ‚Hadern‘?

Zitatsammlung:
Hadert er mit seinem Schicksal?
Ist er eigentlich nicht ständig am nörgeln?
Der hat doch Krebs?
Jetzt findet er das Leben total Scheiße wo es zu Ende geht.
Jeder der Krebs hat stirbt.
Früher oder später.
Also was soll das Rumgezicke?
Außerdem muss es ‚Was denkt wohl der Leser …‘ heißen.

Für die von mir zitierte Denke gibt es eine glatte Sechs, setzen!

Insofern der Bildungs-Homo digitalis das Wort ‚Hadern‘ kennt, denkt er bei dem Wort an einen Vollhonk der klagt, der unzufrieden ist.

Doch es ist – der Doppeldeutigkeit der deutschen Sprache sei Dank – wie mit dem Suggestivjournalismus der Qualitätmedien, der in Überschrift und Teaser die niederen Instinkte des medialen Opfers anspricht, Klicks im Web oder das Verweilen am Bildschirm erhofft und in der Auflösung verrät, dass alles gar nicht so schlimm ist oder ganz anders als zunächst instinktgetrieben gedacht.

Liebe Primitivmedien: Das ist Lebenszeitverschwendung. Das ist plump und niveaulos wie das einstige goebbelssche Gebrüll.

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Kraft, Pinsel und weniger Alkohol

Da sage mal noch einer ich wäre nicht spontan: Aus dem Stand wende ich mich dem gedanklichen Dauerbrenner ‚Eigene Bildträger herstellen‘ zu. Ein paar Besorgungen und es kann losgehen. Von Vorteil für die Realisierung ist, mir kurzerhand eine Woche Urlaub zu gönnen. Wenn das Semester wieder gestartet ist, bleibt mir nur das Wochenende oder die üppigen Feiertage der nächsten Monate.

Anfänglich möchte ich die Emulsion mit einem Kunststoff-Spachtel aufbringen. Den Gedanken muss ich wegen der Ungleichverteilung der vergossenen Fotoemulsion und damit der arg sichtbaren Spuren begraben. Sicherlich kann ich mit einer durchgewärmten Unterlagen das nachträgliche Fließen der Emulsion etwas steuern und damit eine bessere Verteilung erzielen, nur ist mir der Aufwand einfach zu viel. Der Arbeitsplatz muss dafür einfach in Waage/Wasser sein. Es muss einfacher und ohne Kamm* als Rakel gehen. Weil vorhanden, greife ich zu einem Flächenpinsel aus Kunststoff. Siehe da, den Emulsionsauftrag habe ich im Griff und bei Bedarf sogar schnucklige Wischstreifen im Bild. Alles zufallsgesteuert mit manchmal recht lustigen Konsequenzen. Verdünnt wird die Gelatine vor dem Erwärmen mit etwas (weniger) Alkohol. Der nimmt dem ganzen Aufstrich auch die lästige Blasenbildung.

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Auf ein Guss

Ich habe nachgeschaut: Es sind mittlerweile fünf Jahre vergangen, dass ich mich mit ‚flüssiger Fotoemulsion‘ auseinandersetzen durfte. Die Fotoemulsion Rollei RBM 3 sollte auf Glas gebracht werden, um anschließend selbstgemachte Glasnegativ als Zwischenmaske zu verwenden. Und so fing ich für mich an viele alte Bücher aus den Anfängen der Fotografie zu lesen. Glas war für Jahrzehnte das Trägermaterial und die damals üblichen Jahrbücher (diese Art der Wissensanhäufung fehlt der gebildeten ‚maker-Szene‘ absolut) sind voll von Handlungsbeschreibungen. Doch der moderne Mikrotechnologe schleudert lieber, statt auf einen rückwärts gewandten Lichtbild-Dilettanten zu hören. Da man heute nicht schreien und brüllen, die Leute nicht lautstark beleidigen oder gar zur Gewalt neigen darf, wurde wegen chronischer Schleuderitis und den damit ausbleibenden Erfolg das Projekt ergebnislos eingestellt. Doch bevor das wertvolle Gut etc. vernichtet wird, lagere ich die Zutaten in meinem Kühlschrank ein. Ein kleiner Dornröschenschlaf setzt ein.

Nicht ganz! Immer wieder erinnere ich mich an die ‚flüssige Fotoemulsion‘ und denke über den Ablauf in der Dunkelkammer nach. Rollei (macodirekt) gibt mit einem PDF zu seinem ‚Black Magic-Baukasten‘ einen guten Handlungsstrang, der sich aber teilweise mit den alten Literaturquellen beißt. Und: Alles ist darauf ausgerichtet, dass kommerziell käufliche Fotopapier auf anderen Trägern nachzuäffen. Ich verspreche mir von der ‚flüssigen Fotoemulsion‘ ein Gestaltungsmittel abseits der typischen Bildwiedergabe. Der surreale Aspekt, die Perfektion der Unbeständigkeit ist doch mein Ziel. Ginge es mir um Struktur, Streifen oder Wischeffekte, ich griff auf normales Fotopapier zurück und entwickle mit Pinsel, Bürste oder Rolle. Der Mainstream liefert online größtenteils das ‚Normal‘ ab, was mich wiederum von der Umsetzung abschreckt. Ich möchte über das Hantieren und Gießen der ‚Flüssigen Fotoemulsion‘ surreale Gedankenbilder mit einem visuellen Freiraum ohne das ‚fotorealistische‘ Vorsagen (m)einer Absicht schaffen. Keine Einheitssoße und Darstellungen, die auf anderem Weg bequem realisierbar sind. Das ist eine Ode an die Technologie des Gießens einer ‚Flüssigen Fotoemulsion‘, die ich nicht anstimmen möchte.

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Polaroid Originals auf Glas liften?

Während der Arbeiten an meinen BetrachtSteinen entstand in mir die Idee, Glas statt Kacheln oder Fliesen als Träger zu verwenden. Wie gehabt arbeitete ich beim ersten Versuch mit handelsüblichen Bastelkleber als Haftvermittler. Das Liften und Aufziehen der Emulsion war eigentlich kein Problem, nur stand nach dem Trocknen die Emulsionsschicht so unter Spannung, dass das Bild riss und sich – ärgerlicherweise – vom Glas löste. Ich spielte mit dem Gedanken Milchglas als Träger zu verwenden. Oder zwei Scheiben zu verwenden, wobei eine Scheibe den Emulsionslift abdeckt. Auf glatten Hochglanzfliesen funktionierte der Emulsionslift auch nicht. Mit dem Ende der ‚Villa Schaf‘, dem fehlenden Upcycling-Material und meiner dazwischen gekommenen Krebstherapie war der Emulsionslift auf Glas erst einmal ad acta gelegt.

Durch die Arbeiten an der aktuellen Gruppenausstellung des Fotografischen Frühschoppen kam das Thema Emulsionslift wieder hoch. In unserem erlauchten Kreis wurde sogar versucht Glas zu verwenden, leider mit demselben frustrierenden Ergebnis. Leider? Ich müsste sagen zum Glück, denn damit wurde dieser Weg als so nicht gangbar bestätigt. Im großen Pool des Halbwissens Internet gibt es ein paar Lösungen, Influencer-like ohne konkrete Beschreibung oder mit reißerischer Headline, die sich im Text als Windei entpuppt. Eine Variante zeigt zum Beispiel Acrylglas als Träger, welches nicht mit (Fenster-)Glas zu vergleichen ist. Andere reale(?) Emulsionslifte auf Glas machen keine Angaben zur Haltbarkeit nach dem Trocknen. Im Wust der pseudowissenschaftlichen Maker-Legenden taucht dann auch noch der Fujifilm FP 100c auf, der nun überhaupt nicht mit dem ‚the impossible project/Polaroid Originals‘ vergleichbar ist.

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