Ade Fujifilm, ade instax

Ich habe alle instax-Kameras aus meinem Waffenschrank verbannt!
Einfach rausgeschmissen und verschenkt.
Inklusive unbelichtetem Sofortbildmaterial.

Es war eine Spontanentscheidung.

Jedesmal, wenn ich im Atelier an den Kühlschrank gehe, sind mir die Sofortbild-Pakete von Fujifilm aufgefallen.
Die für die instax-Reihe und das Trennbildmaterial FP-100 C und FP-3000 B. Die beiden Letztgenannten möchte ich irgendwann in nächster Zeit nutzen. Definitiv. Der letzte Einsatz war in Basel, das ist mittlerweile auch ein paar Jahre her und wird sich wohl nicht mehr wiederholen. Es ist so eine explosive Mischung aus ‚Ich war jung und brauchte das Geld‘ und ‚Mein neuer Freund möchte das nicht‘. Ich könnte in solchen Momenten an die Decke gehen.
Die für Trennbildmaterial erforderlich Kamera, die Polaroid Land Camera 250 Automatic, ist hinsichtlich ihrer Spannungsversorgung umgerüstet. Was fehlt: Das ultimative Sujet, Motiv und oder die zündende Idee, die letzten Bildchen mit diesem Aufnahmemedium und -verfahren zu machen.

So schön es ist, dass Fujifilm die instax-Reihe betreibt und mittlerweile auch Schwarzweiss-Material angeboten wird, so sehr widert mich die Größe als auch die Perfektion des Materials an. Dazu das Verkitschen der Rahmen um ein Sofortbild, ich verstehe diese Welt nicht mehr. Ich weiss, der Rahmen um ein Bild ist wichtiger als das Bild selbst. Das diesen Blödsinn Polaroid Originals auch noch mitmacht verstehe ich nur dahingehend, dass der Unsinn schon bei the impossible project begonnen hat. Und trotz ständiger Weiterentwicklung bleibt das Polaroid Originals-Sofortbildmaterial meine erste Wahl, weil genug weit weg von Perfektion.

Sicherlich hätte ich das ganze instax-Zeugs für ein paar Euro verticken können.
Die Kameras vom Wide- bis Miniformat waren kaum benutzt.
Ich habe aber keine Lust auf ebay oder so:
Für eine ‚Zweit‘-Holzkamera als Ersatzteilspender musste ich mich wieder in die Bucht begeben. Spaßeshalber, suchtgetrieben, rufe ich überlagertes ORWO-Material auf, schaue was alte Negative kosten sollen und falle vom Vernunftsglauben ab. Stellenweise habe ich den Eindruck, dass des lieben Geldes wegen selbst von Negativen Kopien angefertigt werden, die ich dann teuer kaufen soll. Dagegen ist das dilettantische Abfotografieren alter Aufnahmen quasi ein Kavaliersdelikt. Lieblos trotz Bekundung, es handle sich um ein ‚tolles Negativ‘. Der lebendige Beschiss, der den Unterschied zwischen Dia und Negativ nicht kennt. Zumindest sind die Fälscher bei Abzügen so ehrlich und reden von einer Reproduktion. Das heutige Material macht die vorgetäuschte Ehrlichkeit notwendig.

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Derangiert

Es sind wieder sechs Monate rum.
Ich muss zu Gandalf den Weißen.
Theoretisch, obwohl praktisch kein Zwang besteht.
Weil ich bin ja frei.
Und ich muss die richtigen Fragen stellen.
Wenn ich erzählen, besser berichten möchte, kann ich nicht bis zu meinem Gedankenende reden.
Denn eigentlich müsste alles anders sein, quasi fertig und keine Nachwirkungen.
‚Ist denn das noch nicht vorbei. Das ist doch nun schon so lange her‘.
Irgendwie dachte ich es auch.
Doch Ende November stelle ich fest, dass es erst mein dritter dritter Geburt-Tag ist.
Gesetzt den Fall, es wäre wieder was: Bekäme ich mittlerweile wieder volles Krankengeld?

Nein, es ist noch nicht vorbei.
Hin und wieder sucht mich der eine oder andere Schabernack wieder heim.
Es gibt das eine oder andere Problem, aber darüber reden möchte ich nicht.
Erst recht nicht in einer Kloppirunde anderer Betroffener.
Das ist Abgrenzung, quasi eine Gegeninklusion.
Ich brauche nicht mehr Leid, ich brauche handfeste Ideen, mich aus der selbstgewählten Isolation zu befreien.

Wobei:
Manchmal ist es gut von anderen deren Geschichte zu hören.
Siehe da, es gibt Parallelen.
Ja, es kann alles länger dauern und es kommt zu verfremdeten Schmerzerscheinungen.
Was erzählt mir dann Gandalf?
Warum macht er mich zu einem seiner Normteile?

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Besuch

Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen?

2019 kann es nicht gewesen sein. Wir wollten mal schauen den Vergnügungspark Plänterwald zu besuchen. Es blieb bei der Absichtserklärung, was vielleicht ganz gut war. Denn so gab es heute bei unserem Wiedersehen eine warme, sehr herzliche und lange Umarmung.

Wenn aus meiner Sicht irgendetwas diese Freundschaft geprägt hat, dann war ein besonderes Treffen während meiner Chemotherapie: Alt-Marzahn, ein sonniger Tag und wir sitzen draußen auf der Bank im Dorfkern. Wir reden viel, wohl hauptsächlich über mich. Über die Krebserkrankung, Heilungschancen und vieles mehr. Für den Moment damals ist mir vieles egal, denn ich habe jemand mit dem ich reden kann.

Dabei hatten wir am Anfang unserer Freundschaft Probleme mit unserer Kommunikation. Ich glaube sie wollte, dass wir uns mehr schreiben. Dagegen hatte und habe ich etwas. Bei aller Verbundenheit und Zuneigung, es sollte etwas Besonderes bleiben, dass wir uns schreiben. Kein tägliches Update, eher die freudige Überraschung, vom jeweils anderen zu hören. Kein Schreiben des Schreibens willen.

Wir treffen uns, weil es die Zeit erlaubt und wir gemeinsam ‚Klecksen‘ wollen. Es sind meine ‚Zufallsbilder‘, die uns gegenständlich wieder zusammenbringen. Und wie wir so sitzen, Tee trinken und an einer Laugenbrezel knabbern, fällt das Thema auf das Entstehen, Gedanken und Ideen zu den Bildern. Ich gebe mich zunächst zurückhaltend. Meist wird nicht verstanden, was meine Motivation ist, dass ein Ziel oft auch erst mit der Zeit entstehen kann. Am Anfang ist alles offen, jedenfalls für mich und meine Bilder. Ich kann und möchte nicht den Planvollen geben, nur weil es nach dem großen und beherzten Künstler aussieht. Bin bin vieles, nur nicht das.

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Große Nackte*

* Geschrieben 2011

Es ist amtlich: Ich zwacke fünf Stunden meines Lebens ab und fahre zu Helmut. Ich meine den Newton, die Stiftung und das Museum für Fotografie!

Polaroids.

In meinem Regal mit selbst gelesenen Büchern steht seine “Pola Woman”. Da ist es quasi ein Muss sich auch “Polaroids” anzutun. Ich mag Newton, weniger die Fashion-Strecke und seine verbogenen Models wegen. Ich mag den Schelm Newton, wie er sich selbst inszeniert oder mit den “perversen” Gedanken des Betrachters spielt.

Acht Euro weniger in der Geldbörse und ich bin drin. Die “Big Nudes” begrüßen mich, doch ich lasse sie erst einmal links liegen. Einblicke in sein Privatleben: Ausweise über Orden bis hin zu seinen Kameras. Absolut analog und kaum etwas von irgendeiner Elektronik zu sehen. Wie kann man nur auf diesem Lo-Fi-Level fotografieren und auch noch eine gewisse Bekanntheit erlangen? Heute wäre so etwas undenkbar!

Roter Teppich. Ich erklimme die “Big Nudes”!

Ich bin nicht der Einzige. Ein Pärchen müht sich ebenfalls des Weges. Sie, offensichtlich schwanger oder einfach nur dick. Er, nicht schwanger und deshalb einfach nur dick. Außerdem baumelt eine Fototasche an ihm herum. Puderrot schauen beide zu den “Big Nudes” auf.

“Siehst du die Dreckspuren von den Schuhen auf dem Hintergrund? Deutlich zu sehen! Und dann die Schatten vom Modell und überhaupt …” echauffiert sich der dicke Kamerataschenträger. “Also ich hätte es weggemacht. Das sieht ja unmöglich aus!”. Beide wälzen sich kopfschüttelnd die letzten Stufen der Treppen hinauf und verschwinden im Ausstellungsraum.

Ich bleibe stehen und schaue trotz übler Nackenschmerzen weiter nach oben auf die “Großen Nackten”. Wann habe ich wieder die Chance, übergroße barfüßige Frauen von soweit unten anzuschauen, ohne dass es gleich missverstanden wird. Es handelt sich hier eindeutig um Kunst, auch wenn es Alice Schwarzer etwas anders sehen mag. Die liebt Frauen und muss berufsmäßig jeden Mann hassen.

Genug gestarrt und auf in die Welt der überdimensionalen “Polaroids”. Am Eingang noch eine Erklärung zum Inhalt, inklusive einem Statement des Meisters. Das Ganze ist daneben noch einmal ins Ausländische übersetzt. Wie ein Sprung vom Seitenrand des Schwimmbeckens tauche ich mit dem Öffnen der Tür ab und möchte ab jetzt einfach nur ungestört schauen.

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Pollenterror*

* Geschrieben 2011

Ich kann keinen klaren Gedanken fassen.

Die Nasenlöcher sind zu, so als steckten Tampons für Jungfrauen-Muschis drin. Jedes nasale Luft holen erzeugt ein seltsames Pfeifgeräusch. Ohne dem Wissen, dass es mir ansonsten gut geht, würde ich an meine letzten Atemzüge denken.

Augen. Zur Zeit leicht verklebt. Was davon trocknet, rieselt als feine Spreu in die Vorratslager der Hausstaubmilben. Habe Kopf, vom aufkeimenden Brechreiz möchte ich gar nicht erst reden.

Jubel, denn es ist Frühling! Zeit, meine sensorischen Fähigkeiten zu testen.

Ich reagiere auf das Geblühe da draussen. Die Hitze und Trockenheit macht nicht nur den Bauern zu schaffen. Jeder Regenguss hat etwas befreiendes, selbst wenn er Orkan ähnliche Züge trägt.

Über zwanzig Jahre hatte ich Ruhe vor der biologischen Emissions-Überempfindlichkeit. Heute, reifer und etwas gelassener, fängt der ganze Rotz wieder von vorne an. Ich investiere 10 Euro. Hausarzt.

“Haben sie Durchfall?”

“Nee!”

“Dann kann ich ihnen die Hand geben. Guten Tag Herr Capybara!”

“Hallo” erwidere ich. Ich habe ein Namengedächtnis wie eine Bockwurst. Gesichter angucken und irgendetwas sagt mir “Kenn ich” oder “Kenn ich nicht”. Mit dem Zuordnen der Leute wird es dann schon schwieriger: Job, Bekanntschaft, Ex?

Wenn das gelingt, könnte noch ein Vorname herausspringen. Spätestens beim Nachnamen ist Schluss. Um mir einen Alias zu merken, muss er schon außergewöhnlich sein. Ein prägnantes Beispiel:

– Pummelfee
– Körpergröße eines Standgebläses
– mag Fantasy fotografiert werden
– Model-Name “Sexy Lolita”!

Ich bin für die Einführung eines Nickname-TÜV’s!

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