Engere Kreise

Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, dann bin ich 2014/2015 das letzte Mal mit einer kleinen Einzelausstellung an den Start gegangen. Ich weiß, dass ich im Anschluss mir vorgenommen habe, vorerst nicht mehr als bebilderter Solist aufzutreten. Stattdessen schustere ich einzelne Aufnahmen für verschiedene Gruppenausstellungen bei, die die perfekte Ruhe der Digitalfotografen stören und an ihrer präzisen Bequemlichkeit rütteln sollen. Ich bin gerne ein Störenfried in der Kunst, die mir zu sehr von der Masse und dem Politische Mitte-Gleichschritt dominiert wird. Wenn sogenannte Künstler an elitären Orten hausieren und auf der Suche nach staatlich finanzierten Projekten sind, dann summen sie die Lieder ihrer Gönner. Das ist keine Kunst, dass ist Ideologie und Propaganda.

Am 26. März diesen Jahres soll die fast fünfjährige Abstinenz ein Ende haben. Als der Termin fix war, hatte ich auch gleich meinen ‚Projekttitel‘. Vieles hat heute einen ‚Projekttitel‘, warum auch immer. Am Anfang ist das Projekt eine Idee. Soll ein Titel der Idee mehr Gewicht, übermenschliche Bedeutung verleihen? Oder ist das alles nur Schall und Rauch, die Luftpumpe um aus der Mücke einen Elefanten zu machen?

Mir geistert ‚Alles muss raus‘ durch den Kopf. Unmotiviert und doch über lange Zeit präsent.

Am Ende der Chemotherapie, ich war noch nicht wieder im Dienst, habe ich begonnen aufzuräumen. Vieles schmiss ich weg, weil es für mich keinen Sinn ergab die Dinge aufzuheben. All dieser Unsinn muss raus, quasi eine Chemotherapie für meine Vergangenheit. Ich kann und will sie nicht löschen, doch sie muss auch nicht wie ein stinkender Haufen Hundescheiße an meinem Hacken kleben. Sechs Monate Chemotherapie – sechs Monate lang wird in meinem Körper die Neubildung von Körperzellen verhindert. Damit sollen die Krebszellen eliminiert werden. Ein Spiel mit dem Risiko für mehr Lebenszeit, wo die Alternative nur Tod heißt. ‚Alles muss raus‘, selbst die kleinste Krebszelle muss abgetötet werden. Erst dann habe ich meine dritte Chance.

Die fünf Jahre Abwesenheit als Einzelkünstler war zum überwiegenden Teil der Versuch einer Selbsttherapie: ‚Alles muss raus – Der Versuch einer Selbsttherapie‘. Ja, ich musste mich aus ein paar Löchern ziehen. Ich musste aber auch meine Geschwindigkeit bremsen um zu erkennen, dass ich nur mit Zeit etwas schaffen kann, was mich zufrieden macht. Wieviel Zeit habe ich noch, was kann ich in ihr schaffen? ‚Du musst zum Psychoonkologen!‘ sagt Gandalf zu mir. Seine Worte klingen logisch. Ich schaue mich um und je mehr ich über diese Disziplin der Medizin etwas erfahre, umso mehr fühle ich mich davon abgestoßen. Ich möchte nicht im Kreis der Betroffenen meine Wunden lecken. Das macht mich irre und im Kopf erst recht krank. Ich durchdenke Gandalfs Hinweis und suche mir einen eigenen Weg.

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Falsche Welt

Das hier ist nicht wirklich meine Welt.
Also die eure, meine ich.

Heute Morgen tragen die Qualitätsmedien Trauer: Kobe Bryant ist bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Nebst seiner Tochter!
Wer ist dieser Kobe Bryant?
Ich habe wirklich keine Ahnung, wer diese angebliche Legende sein soll.
Null, nichts.

Billie Eilish staubt fünf Grammys ab!
Wer ist dieser Billie Eilish? Sorry, das soll eine Frau sein.
Keine Ahnung, wer das ist.

Prince Damien besteigt den Dschungelthron!
Wer ist das und warum ist er König oder Kaiser im Dschungel?

Vor 14 Tagen hat Instagram – wieder einmal – ein Bild von mir gesperrt. Die weiche Ware einer Maschine hat entschieden, dass das Bild gegen die Community-Richtlinien verstößt. Es geht um primäre Geschlechtsmerkmale, die Prüderie der Weltpolizisten und ihre Doppelmoral. Ganze vierzehn Tage hat die Überprüfung gedauert. Nun bin ich mit meinen knapp über 350 Verfolgern kein arbeitsscheuer Edelinfluencer. Doch es geht mir um ein Prinzip: Ein Programm entscheidet in erster Instanz, es entscheidet falsch und es bedarf zweier Wochen, bis eine Revision erfolgt. Wenn Mark Zuckerberg vierzehn Tage keine Kohle, kollabieren die Turbokapitalisten an der Börse und dieser Milchreisbubi würde auf der Wallstreet öffentlich gehängt.

Noch perverser ist tumblr. Die einst sehr offene Plattform macht nach einem Besitzerwechsel auf Moralapostel, verliert Millionen Mitglieder und begeht somit vorsätzlich einen finanzieller Suizid. Verscherbelt an Automattic, zudem WordPress.com gehört, bleibt man moralisch sattelfest. Deren Moral-Bot und vor allem die Überprüfung einer Beschwerde ist an Perversität nicht zu übertreffen: Das Urteil der zweiten Instanz erfolgt im Bruchteil einer Sekunde. Anders formuliert: Bei Instagram/Facebook könnte rein theoretisch ein Mensch sitzen und die Entscheidung über meinen Einspruch fällen. Bei tumblr ist es zweimal eine Maschine und ich als Mensch habe keine Chance von einem Menschen gehört zu werden. Das Szenario finde ich bedrohlich und in solch einer Welt möchte ich nicht leben müssen. Darüber solltet ihr schreiben und reden. Der Mensch setzt sich selber ab und konsumiert währenddessen leicht Verdauliches, vegan, nachhaltig und ganz viel Bio.

Ich warte auf den Tag, an dem eine meiner aleatorischen Arbeiten oder höchst meisterlichen Klecksereien als Pornografie gebrandmarkt wird und kein Einspruch fruchtet. Zumindest bei dem beanstandeten und mittlerweile als communitykonform erklärten Bild trägt das Modell keine Slip, was es nur gedanklich bedenklich machen könnte. Doch Bots sind frei von Intellekt und würden den Schabernack des Menschen nicht verstehen.

Entschuldigung a la instagram nach Fehlentscheidung

Eine ‚Entschuldigung‘ a la instagram nach einer Fehlentscheidung des Moralbots

Unfall – Eine Theorie zum Zufall

Gestatten Unfall. Und ich mache Unfälle. Alles kam einfach so, ohne dass ich jemals gefragt wurde oder mich jemand dazu anstiften musste. Mein Vater schwängerte die Frau die mich geboren hat, weshalb sie, die Frau, ihn – damals war es so üblich – heiraten musste. Für sie, die Frau die mich geboren hat, war ich nun der Unfall. Das ist die perfekte Mischung für eine gestrenge Hiebe-statt-Liebe-Erziehung. Jahre später darauf angesprochen kann sie sich an keine ihrer Grausamkeiten erinnern. Das würde ich wohl auch nicht tun wollen. Folglich konnte ich ihre Beteuerung, dass sie mich liebt, nie wirklich glauben. Mein Bruder, ein paar Jahre später mit demselben Mann gezeugt, hatte da etwas mehr Glück. So bleibt es mir vorbehalten in einer Zeit der Berufsopfer auch ein Opfer sein zu dürfen.

Lebt sie, die Frau die mich geboren hat, eigentlich noch?

Die meisten Künstler sind sich egal welcher Stilrichtung zugewandt einig, dass Kunst Leben nachahmt. Der aleatorische Künstler nimmt den Gedanken einfach wörtlich und schlussfolgert, dass wenn Kunst das Leben imitiert, der Prozess des Kunstmachens den Prozess des Lebensmachens nachahmen muss. Wenn dem so ist, dann muss die Kunst von einem Ort kommen, der den Ort nachahmt, von dem das Leben kommt. Damit stellt sich die Frage: Woher kommt das Leben?

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Kleckserei

‚Bist du mit deiner Kleckserei fertig?‘

Wäre ich ein schwanzloser Mensch der Neuzeit, müßte ich mich nach diesem Satz maßlos echauffieren, vom Mobbing und Shaming reden, mich als Multi-Künstler diskriminiert und beleidigt fühlen. Ich übertreibe? Oh nein. Unsere eierlose Gesellschaft, das System ohne Kritik kann mit einem Widerwort nicht umgehen. Widerspruch ist entweder Neid oder Beleidigung, macht den Wortführer zum Kriminellen und den Kritisierten zum bedauernswerten armen armen armen Opfer.

So einfach ist das nicht!

Natürlich ist das was ich als ‚Malerei‚ abtue zu einem Teil Kleckserei. Und nein, ich fühle mich mit dem oben genannten Satz weder beleidigt noch diskriminiert. Es ist die Meinung eines Ahnungslosen, der es selbst bestimmt – zumindest verbal – genauso gut kann, auf der anderen Seite mir aber Arbeiten aus der Hand nimmt und für sich behält. Also alles nur ‚Satire‘ oder ‚ein Spaß‘?

Es wäre schön, würde sich der Betrachter meiner ‚Klecksereien‘ Gedanken darüber machen, was meine Absicht sein könnte. Ich erzähle nicht gern was mich umtreibt. Der Betrachter soll versuchen es anhand der Arbeit, dem Bildtitel und Verschubladen zu ergründen. Hier bedarf es der eigenen Kreativität und etwas Fantasie. Und jetzt wird es eng. Wer seine Freizeit nur mit einem Tablet vor der Nase verbringt, der kann mich nicht beleidigen.

Warum auch immer kreist der Gedanke um den Zufall in meinem Kopf. Zufall, der die Fotorealistik in meinen Augen ansehbar macht. Zufall, der ein Negativ entstehen lässt. Zufall, der als Gekleckse ein Bild entstehen lässt. Ich kann aus Prinzip nicht an eine Bestimmung glauben. Das Leben ist die Aneinanderreihung von Momenten, die in ihrer Gesamtheit den Zufall ergeben. Je nach Momente kann der Zufall eben anders aussehen.

Meine ‚Klecksereien‘ bauen sich Lage um Lage, Farbe um Farbe, Technik um Technik und Moment um Moment auf. Manchmal ist am Ende nicht zu sehen was der ursprüngliche Anfang ist. Im Gegensatz zur Fotografie ist Malerei Verschwendung. Angesichts der Zurückhaltung, Gefühlskälte, Ich-Bezogenheit und der Suche nach Eigennutz kann verschwenderisch sein nicht schaden. Was der Mensch nicht geben will, gibt die Kunst, gibt mir die ‚Kleckserei‘. Letztlich mache ich mir darum mehr Gedanken als derjenige, der die ‚Kleckserei‘ ausgesprochen hat.