Just paint

Ich bin verabredet. Trotz der auferlegten und nicht lange eingehaltenen Schweigephase. Der Leser sollte eben kritisch mit dem sein, was es hier zu lesen gibt. Modell Curly Schaddai schaut im Atelier vorbei und möchte, da ich eine Kleckswand habe, bei mir malen. Im Vorfeld reden wir auch übers Fotomachen, aber das hat nichts zu sagen. Wenn es unsere Stimmung nicht hergibt, dann wird ein zwei Stunden gequatscht.

Auf der Couch sitzend gucke ich ihr zu, wie sie sich mit Farbe, Schwamm und Pinsel an der Staffelei zu schaffen macht. „Was ist?“ fragt sie mich. „Ich schau dir nur zu“ erwidere ich. Ich gucke und beobachte gerne. In den Öffentlichen, wenn ich unterwegs bin, schaue ich gerne Menschen zu. Um nicht die teilweise sinnlosen Dialoge im Kopf auszuzeichnen, höre ich Musik. In-Ear und laut. Seit der Pflicht von Alltagsmasken in Bussen und Bahnen ist das Vergnügen etwas getrübt. Hauptgrund: Ich bin kaum noch unterwegs und wenn, dann beschlägt entweder meine Brille oder ich sehe nichts, weil ich keine Brille aufgesetzt habe.

Etwas im Machostil sage ich zu Curly, dass sie für Aufnahmen ziemlich viele Sachen an hat.
„Soll ich mich ausziehen?“
„Wenn du möchtest kannst du dich gerne ausziehen“ erwidere ich. Ganz so machomäßig soll es dann doch nicht herüberkommen. Aber Curly ist an der Stelle ziemlich entspannt und locker, was ich ihr hoch anrechne. Im weiteren Verlauf greife ich nur zweimal ins Geschehen ein und korrigiere die Pose leicht. Relativ schnell ist der Film voll. Foma Retropan 320 soft. In Rodinal entwickelt ist er alles andere, nur nicht soft. Und das ist gut so.

Wo ich dann ein paar Tage später die ersten Abzüge vor mir liegen habe, ist es für mich fast eine kleine Zeitreise nach meiner zweiten Geburt: 2007 schließe ich mich dem Malzirkel von Olaf Nehmzow an, um die Teilnehmer bei ihrer kreativen Arbeit zu fotografieren. Ich nehme mir Zeit für dieses Projekt. Erst schaue ich mir bei ein zwei Treffen die Abläufe an, dann komme ich mit Kamera, ohne zu fotografieren. Ich hoffe, dass ich für die Teilnehmer unsichtbar werde und sie mich später, wenn ich wirklich abdrücken möchte, mich kaum noch wahrnehmen. Ein spannendes Projekt, leider nur alles digital fotografiert. Spannend auch wegen der Befindlichkeiten der Portraitierten, die unter anderem ihre Marotten entlarvt sahen und sich entsprechend verbal aufplusterten. Da tun diejenigen gut die erkennen, dass sie so aussehen und eben diese Eigenart haben. Im Ergebnis dieser Kollaboration kam es zur Ausstellung „Lichter, Mitten & Tiefen“, worüber ich mich hier und hier schon einmal ausgelassen habe. Dagegen ist das Shooting mit Curly ein Quickie und doch bin ich keineswegs enttäuscht.

Ich fotografiere Curly die nassen Abzüge ab und schicke sie ihr. Kurz und bündig antwortet sie: „Danke sehr. Sind ein paar nette dabei.“ Obwohl ihr Gesicht in einigen Aufnahmen gut zu erkennen ist, darf ich die Aufnahmen hier im Lichtbildprophet zeigen. Vielen Dank!

Jetzt werden bei DHL Zahlen und Buchstaben knapp!

In den schweren Schock-Krisenzeiten um den neuartigen Corona-COVID-19 das Virus hat Deutschlands Warensendungslogistiker Nummer Eins zu tun wie an Weihnachten. Vielleicht ist bereits Weihnachten, halt vorverlegt, und keiner hat es mitbekommen? Es ist so viel los, dass Amazon seinen Versand priorisiert. Was das bedeutet, hat die Redaktion des weltbekannten Lichtbildprophet hinlänglich und exklusiv thematisiert. Leider fand diese TOP-Story nicht das erhoffte Echo in den Qualitätsmedien. Immer auf der Suche nach der Enthüllungsstory am Rande der waschechten Fake-News ist die Redaktion auf eine neue, brandheiße und mega-schockierende Enthüllung gestoßen:

DHL muss soviel ausliefern, dass dem Megapaketwerfer die Buchstaben und Zahlen ausgehen!

Die Monster-Mega-Krachergeschichte erzählt unser Super-Redakteur Ronaldo live aus seinem Homeoffice in seinem Betonpalast:

Alles begann so: Ein völlig gestresster DHL-Zustellungsmanager packt in meine PackStation des Vertrauens neben drei meiner Warensendungen eine weitere für eine mir völlig unbekannte Person. Das stelle ich allerdings erst heimgekehrt im Betonpalast fest. Ich erwarte noch andere Warensendungen und seit der Priorisierung durch Amazon bin ich übelst in ein Organisationstief gefallen.

Als ehrlicher Bürger und semi-braver Ausgangseingeschränkter kontaktiere ich Amazon elektronisch. Das ist auch nicht so einfach, hat doch Jeff Bezos seine Kundenabwehr gut im Dschungel der Webseite eingegraben. Letztlich trotze ich der heimtückischen Tarntaktik und starte Chat. Ich schildere mein Problem, der Service-Agent entschuldigt sich, dass ich meine Ware nicht bekommen habe … Moment, ich habe zu viel Ware und möchte einmal an Amazon zurückgeben. Weil ehrlich. Mein kleiner lauter Nachbar würde das bestimmt nicht tun. Nach seiner Philosophie muss man heute bescheissen, weil das ist so.

Ich bekomme Retourzettel, darf ihn ausdrucken und die Fehlzustellung zur Packstation bringen. Mit dem Prozedere habe ich bereits Erfahrung. DHL überrascht mich nicht zum ersten Mal mit einem Extrapaket ausser der Reihe. Die Arbeit der Retour habe immer ich, bisher jedenfalls. Um zu sehen, dass die Fehlzustellung auch wirklich beim Empfänger landet, lasse ich mir den Einlieferungsbeleg per Mail zuschicken. Außerdem erscheint der Rückläufer in der DHL Paket-App. In der geschieht die nächsten Tage nichts. Bis heute geschieht nichts, weshalb ich den Verfolgungslink in der Mail benutzen tue.

Was ich da sehe, ich fühle mich an die 50 Jahre alte fehlende Synchronisation bei WordPress erinnert: Der DHL-Theorie und Logistik-Logik nach ist die Sendung seit dem 30. 04. 2019 unterwegs. Bin ich Teil eines genial ausgeklügelten Zeitsprungs? Hat mir ein Modell beim Shooting KO-Tropfen in den Brennnesseltee getan, um mich gefügig zu machen und ich wache nach einem Jahr Koma-Tiefschlaf total ausgelutscht auf? Gehört das zur Klimarettungsstrategie des Unternehmens oder hat DHL wirklich so viel um die Ohren und das eigene Gesäß, dass alte abgelaufene Tracking ID’s recycelt werden müssen? Auch wenn ich die Antwort nicht weiß, so vermute ich der besseren Schlagzeile wegen einfach mal Letztgenanntes! Hier der Beweis, verbunden mit dem freundlichen Hinweis, man lese die Chronik bitte von unten nach oben:

Dauer unterwegs

Und da ist noch ein Sache: Ich rede nicht über den armen Baum, der für den Ausdruck des Retourscheins sterben musste. Ich rede nicht von der Ozon- und Feinstaubbelastung durch den Laserdrucker neben mir. Ich rede nicht vom Paketklebeband, Klebstift und die Wanderung zur PackStation. Ich rede nicht über die Lebenszeitverschwendung, weil da jemand einen klitzekleinen Fehler gemacht hat und ich irgendwann mal wieder zu einer PackStation latschen muss, weil der Herr DHL-Beförderungsingenieur keinen Bock hat meine Lieblings-PackStation anzufahren. Ich rede einen kleinen elektronischen Dank, ein persönlicher Held des Alltags von Amazon und DHL.

Pollenterror*

* Geschrieben 2011

Ich kann keinen klaren Gedanken fassen.

Die Nasenlöcher sind zu, so als steckten Tampons für Jungfrauen-Muschis drin. Jedes nasale Luft holen erzeugt ein seltsames Pfeifgeräusch. Ohne dem Wissen, dass es mir ansonsten gut geht, würde ich an meine letzten Atemzüge denken.

Augen. Zur Zeit leicht verklebt. Was davon trocknet, rieselt als feine Spreu in die Vorratslager der Hausstaubmilben. Habe Kopf, vom aufkeimenden Brechreiz möchte ich gar nicht erst reden.

Jubel, denn es ist Frühling! Zeit, meine sensorischen Fähigkeiten zu testen.

Ich reagiere auf das Geblühe da draussen. Die Hitze und Trockenheit macht nicht nur den Bauern zu schaffen. Jeder Regenguss hat etwas befreiendes, selbst wenn er Orkan ähnliche Züge trägt.

Über zwanzig Jahre hatte ich Ruhe vor der biologischen Emissions-Überempfindlichkeit. Heute, reifer und etwas gelassener, fängt der ganze Rotz wieder von vorne an. Ich investiere 10 Euro. Hausarzt.

“Haben sie Durchfall?”

“Nee!”

“Dann kann ich ihnen die Hand geben. Guten Tag Herr Capybara!”

“Hallo” erwidere ich. Ich habe ein Namengedächtnis wie eine Bockwurst. Gesichter angucken und irgendetwas sagt mir “Kenn ich” oder “Kenn ich nicht”. Mit dem Zuordnen der Leute wird es dann schon schwieriger: Job, Bekanntschaft, Ex?

Wenn das gelingt, könnte noch ein Vorname herausspringen. Spätestens beim Nachnamen ist Schluss. Um mir einen Alias zu merken, muss er schon außergewöhnlich sein. Ein prägnantes Beispiel:

– Pummelfee
– Körpergröße eines Standgebläses
– mag Fantasy fotografiert werden
– Model-Name “Sexy Lolita”!

Ich bin für die Einführung eines Nickname-TÜV’s!

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Schleierhaft*

* Geschrieben 2012

Im Moment läuft es wie schon lange nicht mehr wie am sprichwörtlichen Schnürchen. Fotografisch betrachtet! Alles was meine Gedanken formen und aus den Kameras kommt. 😀

An einer Wand meines Luxus-Loft-Beton-Appartements habe ich mir eine kleine Trout-Gedenkecke eingerichtet. Der Mann hat es gut, zumindest in meinen Augen. Er fotografiert analog und, das ist der Knackpunkt, er fertigt seine Bilder eigenhändig an. Mich nerven seine Berichte über Oxy-Print & Co. gewaltig. Nicht, weil er sich immer wieder darüber äußert. Mich wurmt, dass er so etwas umsetzen kann. Ich kann knipsen und meine Schwarzweiss-Filme selbst entwickeln. Am letzten Schritt des eigenhändigen Erschaffens eines Fotos fehlt es mir, aus Platz-, Zeit- und Geldmangel. Ja, an der Stelle kommt in mir so etwas wie Neid auf.

Genug auf künstlerischem Niveau gejammert. Kommt Zeit, kommt Rat. 🙂

Dann und wann verirren sich Anfragen bereitwilliger Menschen in mein Postfach. Es bleibt wie es ist: Über das Level der Interessenbekundung geht es nicht hinaus. Mann und/oder Frau scheint überrascht, dass ich mein Lager in Berlin aufgeschlagen habe. Eine Reise quer durch Deutschland kostet Zeit und Geld. Ich bin keine Schlampe, die sich wie Sauerbier zum Nulltarif anbietet. Jeder Shootingpartner muss da wohl seinen Teil tragen, dachte und denke ich. Daran ändere ich auch in Zukunft nichts.

Diese Gratis-Mentalität und das nicht Lesen können ist mir schleierhaft! Wozu hält der Staat an einer Schulpflicht fest, wenn am Ende der geschulte Mensch sein Wissen nicht anwenden kann … oder möchte!

Gott sei Dank gibt es hier und da die Ausnahmen von der Regel. Ich darf mich in Sachen Kunst austoben, ja es wird sogar gewünscht. Als meine Gegenleistung für die mir zur Verfügung gestellte Zeit müssen keine Standard-Schön-Portraits herauskommen. Stattdessen soll es schräg, unscharf, verwackelt … einfach gegen den Strom sein.

Die Serie „Schleierhaft“ passt genau in diese Kategorie. Ein Lensbaby, etwas längere Belichtungszeiten als üblich, teilweise mit Stativ, aber auch aus der Hand aufgenommen und eine digitale Entwicklung am Rande des Darstellbaren … wenn ein Billig-Display am Computer angeschlossen ist.

Nach einer langen Nacht der Wissenschaften und hinter mir liegenden 6 Tage-Arbeitswoche fällt eine gewisse Last aus meinem Kopf. Ich blättere durch ein Magazin der Fotografie, sehe den dritten Platz eines Wettbewerbs. Ja, es kann auch was absolut Unscharfes auf dem Treppchen landen. Nach der Beschreibung hatte ich mit einer ähnlichen Technik vor ca. drei Jahren gearbeitet. Folge ich meinem fotografischen Faden bis zum heutigen Tag, ändert sich noch einiges, die Baustelle Ausarbeitung bleibt.

Es stellt sich eine gewisse Zufriedenheit in mir ein, trotz der inneren Unruhe, die die nächsten fotografischen Gedanken in mir hervorrufen.

„Geduld Herr Capybara … Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut und selbst der liebe Gott hat eine Woche für unsere schöne Erde gebraucht!“

Nein, nein … ich möchte nicht hetzen oder irgendetwas über das Knie brechen. Ich versuche den Sonntag in Ruhe zu genießen und einen gewissen Abstand zu gewinnen. Dabei sortieren sich die Gedanken wie von selbst aus und kommen neue Ideen hinzu. Und in gewisser Weise verlasse ich mich auch auf das Modell, dass sich nicht nur interessiert gibt, sondern sich selbst einbringt. Insoweit ist meine „Leistung“ eine echte Teamarbeit …

Update 2020
Die erwähnte Trout-Gedenkecke gibt es mittlerweile nicht mehr. Trout, das ist Michael Weyl a.k.a. Michael K. Trout.
Er war neben Tilla Pe ein Geist des Spürsinn Versand. In der Zeit bis heute hat Spürsinn seine Geschäftstätigkeit eingestellt.
Ende 2014 konnte ich mir ein eigenes Atelier mit angeschlossener Dunkelkammer einrichten. Was ich damals mit der Serie ‚Schleierhaft‘ bezeichnet habe entzieht sich heute meiner Kenntnis.

Mode und ich und Mode

In Sachen Mode gehe ich keine Experimente ein. Das überlasse ich jenen hemmungslos individuellen Zeitgenossen, denen wirklich nichts zu peinlich ist. Dürfte ich mir ein Styling wünschen, dann wäre es etwas in Richtung maoistischer Einheits-Look. Nur nicht um jeden Preis auffallen! Farbtechnisch steht mir das spektrale Sammelbecken klassisch Schwarz, wagemutig mit sattem Anthrazit akzentuiert. Zu mehr Kontrast lasse ich mich nicht hinreissen!

Etwa wie Weiß?

Das steht stand dem Karl Lagerfeld besser. Schwarzer Anzug. Weißes Hemd. Oder das, was man früher als Hemd bezeichnet hat. Dazu viel Bling-Bling in Silber. Seine Attitüden rundeten das Gesamtkunstwerk ab.

Hab mal gesehen, wie Karl shootet. Assistenten bereiten alles vor. Meister Karl erscheint, übernimmt die digitale Mittelformatkamera, post mit ihr etwas herum und setzt dann zum goldenen Schuss an. Karl gibt die Kamera wieder ab, wirft einen Kennerblick auf den Flachbildschirm. Sein unnachahmliches Fuchteln mit der Hand ist die einzige Gefühlsregung, die dem Universalgenie entfleucht. Abgang!

Wenn es mir eines Tages genauso ergeht, dann habe ich es geschafft. Ich hätte gern mal Karlchen und seine Welt kennengelernt, mir ein paar Tricks abgeschaut. Vor allem: Wie zelebriere ich stilecht SOLCHE Auftritte.

Zurück zum Kontrast. Variante Rot.

Da fällt mir maximal ein roter Binder ein. So ein verkrüppelter Sabberlatz ist nichts weiter als der öffentliche Aufruf, sich von wildfremden Menschen freiwillig strangulieren zu lassen. Anschließende Straffreiheit inklusive. Trotz aller kreativ-künstlerisch motivierter Depression: Soweit bin ich noch nicht. Wenn es mich von Heute auf Morgen erwischt, dann unwissend und bitte möglichst schnell. Am besten kurz nach einem galaktisch-gigantischen Orgasmus!

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